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Sport: Selbstgespräche für Sieger

Eine Psychologin betreut die deutschen Werfer

Osaka - Wettkampfvorbreitung kann manchmal ein Kartenspiel sein. Heike Kugler spielt gern mit den deutschen Leichtathleten „Speed“. Wer zuerst seine Karten gegen ein oder zwei Mitspieler passend nach Form, Farbe und Zahl auf einen Stapel gelegt hat, hat gewonnen. Was das bringt? „Es aktiviert beide Gehirnhälften“, sagt Kugler, „das muss sein, ich nenne das Espressoeffekt.“ Die Psychologin kümmert sich mit ihrem Kollegen Heiner Langenkamp darum, dass die deutschen Leichtathleten bei der WM in Osaka auch im Kopf fit sind. „Wir können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das gewünschte Ergebnis eintrifft.“

In Osaka funktionieren die beiden Gehirnhälften gerade der Werfer bestens – mit ihnen hat sich Kugler besonders intensiv beschäftigt. Sechs Medaillen haben sie bislang gewonnen. Kuglers Anteil daran ist zwar nicht messbar, aber die meisten Werfer konnten in entscheidenden Momenten ihre Fähigkeiten abrufen. Das kann Psychologie sein. Etwa bei Nadine Kleinert, die sich mit Bronze im Kugelstoßen zurückmeldete. Über Kleinert fand Kugler auch den Weg in die Leichtathletik, mit ihr arbeitet sie seit 1999 zusammen, beide kommen aus Magdeburg. Seit 2005 kümmert sich Kugler um die ganze Nationalmannschaft der Leichtathleten.

Die Psychologin macht nun das, was sie schon als Neunjährige getan hat. „Damals bin ich mit meinem Vater zu den Magdeburger Handballern gegangen, habe auf der Tribüne eine Liste gemacht, was ich an jedem einzelnen Spieler gut fand und was nicht, ob sie sich zu viel gestritten haben. In der Pause bin ich runter und habe es den Spielern gezeigt.“ Heute berät die 44-Jährige die Magdeburger Bundesligahandballer professionell. Auf die Leichtathleten muss sie sich anders einstellen, „sie sind viel selbstreflektierter als Mannschaftssportler“, sagt Kugler.

Die Leichtathleten haben keine Berührungsängste zu ihr. Statt in der Psychoecke zu stehen, gehört Kugler zum Team wie Trainer und Ärzte. Sie kommt auch nicht aus der klinischen Psychologie, sondern hilft Managern, Ärzten oder Piloten, im Berufsleben ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. „Meine Arbeit hat keinen therapeutischen Ansatz, es geht um die Nutzung von Ressourcen. Die meisten kommen nicht und sagen: Ich habe ein Problem. Sondern: Ich habe ein Ziel.“ Wenn sie mit den Athleten arbeitet, kann es sein, dass die gar nicht mitbekommen, dass es gerade um Psychologie geht. Kugler setzt sich gerne mit ihnen ins Café des Mannschaftshotels, in dem ein großer Wasserfall rauscht. „Die Athleten sollen es schön und attraktiv haben“, sagt Kugler.

Für die Psychologin gibt es nur individuelle Ansätze. Manche Athleten wie der Berliner Diskuswerfer Robert Harting haben im Wettkampf eher körperliche Probleme wie Übelkeit. Da können Entspannungstechniken helfen. Andere, die eher im Kopf verkrampfen, will Kugler dazu bringen, im Wettkampf das richtige Gespräch mit sich selbst zu führen. „Selbstgesprächsregulation“, nennt sie das.

Im Wettkampf einen Tunnel vor sich aufzubauen, reiche jedenfalls nicht. „Athleten sollten sich mit bestimmten Ritualen auf ihre Abläufe konzentrieren, aber auch wach sein, um handlungsfähig zu bleiben.“ Mit der Hammerwerferin Betty Heidler hatte Kugler besprochen, was sie in welcher Situation tun kann. Dazu gehörte, sich zur Mobilisierung auf die Brust zu klopfen. Heidler gewann Gold. Der größte Gewinn für Heike Kugler ist es, wenn die Athleten dank ihrer Arbeit den „Flow“ erreichen, „den Moment, in dem du die Anstrengung nicht mehr spürst und nur noch das Gefühl hast: Es funktioniert alles.“ Friedhard Teuffel

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