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Sport: Sie ist eine andere

Anna-Lena Grönefelds Lebenswandel hat sie ins Viertelfinale von Paris geführt

Als Anna-Lena Grönefeld gerade das erste Grand-Slam-Viertelfinale ihres Lebens erreicht hatte, war ihr Trainer mit den Gedanken immer noch ganz woanders. „Sie hätte tot sein können“, sagte Rafael Font de Mora, „sie hätte sich das Genick brechen können.“ Der stets braun gebrannte Spanier war noch immer leichenblass, als er diesen Satz aussprach. Die betreffende Szene, die dazu führte, dass Grönefeld auch beim Achtelfinalsieg mit den Tape-Verbänden an Knöcheln und dem rechten Arm eher wie eine Reha-Patientin als eine Tennisspielerin aussah, hatte sich zu Beginn der French Open auf einem der Nebenplätze ereignet. Grönefeld war im Doppel bei dem Versuch, einen Ball noch zu erreichen, mit dem Kopf zuerst gegen eine Betonbande gekracht und minutenlang liegen geblieben. Zuerst musste Grönefeld sogar eine Halskrause tragen wie nach einen Schleudertrauma. Sie hat sich durchgebissen. Nach ihrem ungefährdeten 6:3, 6:4-Erfolg gegen Gisele Dulko aus Argentinien steht die 21-Jährige als erste Deutsche seit Anke Huber vor sechs Jahren unter den letzten acht bei einem Grand Slam-Turnier.

„Das ist ein Meilenstein“, sagte Grönefeld nach ihrem in nur 74 Minuten errungenen Erfolg. „Ich habe hier noch nie auf den großen Plätzen gespielt.“ Am Dienstag nun ist es endlich so weit: Auf dem Court Suzanne Lenglen wird sie die Titelverteidigerin Justine Henin-Hardenne aus Belgien erwarten. „Das ist eine tolle Motivation für mich“, sagt Grönefeld. Realistisch gesehen dürfte sich die Paris- Reise der Deutschen allerdings dem Ende zuneigen, zumal Henin-Hardenne in ihrem letzten Match gegen Anastasia Myskina keine Schwächen zeigte. Dennoch ist die Belgierin vorsichtig: „Gegen Anna-Lena muss ich aufpassen. Sie hat in den letzten Monaten große Fortschritte gemacht.“

Und wirklich: Die Anna-Lena Grönefeld, auf die sie treffen wird, ist nicht mehr die von vor einem Jahr. Damals hatte die Deutsche in Paris gegen die Italienerin Francesca Schiavone stets geführt und am Ende aus scheinbar unerfindlichen Gründen doch verloren. So etwas würde ihr heute nicht mehr passieren, glaubt Grönefeld. „Ich habe mich auch mental weiterentwickelt“, sagt sie. „Ich weiß jetzt, dass ich immer wieder zurückkommen kann.“ Diese Entwicklung hat sie sich selbst zu verdanken, ihrem Ehrgeiz und ihrer Lernfähigkeit, aber auch ihrem Coach Font de Mora. „Gib dem verrückten spanischen Coach zwei Jahre Zeit. Anna-Lena wird noch viele überraschen“", hatte Font de Mora vor 24 Monaten prophezeit. In seinem Camp in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona formte er Grönefeld zur Athletin. „Meine Schwächen waren Schnelligkeit und Beweglichkeit. Dafür haben wir viel getan“, sagt Grönefeld. Sie stellte ihre Ernährung um, nahm ab und konsultierte sogar einen Sportpsychologen, mit dem auch Golfstar Tiger Woods zusammenarbeitet.

All dies hatte sich am Sonntagabend um 19.26 Uhr bezahlt gemacht, als Anna-Lena Grönefeld in der milden Abendsonne von Paris die Arme in die Höhe reckte. Grönefeld waren fast doppelt so viele Gewinnschläge wie ihrer Gegnerin Dulko gelungen, außerdem hatte sie auch fünf Asse geschlagen. Gegen Justine Henin-Hardenne wird sich Anna- Lena Grönefeld aber noch einmal steigern müssen, und das weiß sie selbst: „Ich werde bestimmt nicht mit der Einstellung ins Match gehen, dass ich schon alles erreicht habe, was ich wollte.“

Andrej Antic[Paris]

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