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Sport: Silber mit Verspätung

Kirsten Bolm wird Zweite über 100 Meter Hürden

Göteborg - Wenn Kirsten Bolm noch eine besondere Erinnerung mitnehmen will von dieser EM aus Göteborg, das Zielfoto wäre vielleicht das beste Souvenir. Es könnte noch einmal alles wachrufen, was sich nach der Ankunft im Ziel abspielte. Wie die Mannheimer Hürdensprinterin gemeinsam mit der Irin Derval O’Rourke auf der Laufbahn saß, die genau wie sie 12,72 Sekunden gebraucht hatte, und auf die Entscheidung wartete, wer von ihnen nun Zweite und wer Dritte war. Wie sie als Drittplatzierte gemeinsam mit der Irin und der Siegerin Susanna Kallur auf die Ehrenrunde ging und wie sie nach einem Protest der deutschen Mannschaftsleitung am Ende doch noch gemeinsam mit der Irin auf den zweiten Platz gehievt wurde.

Bolm muss nur darauf achten, dass es das richtige Foto ist. Denn der Zieleinlauf nach 100 Metern über die Hürden ist von zwei Seiten der Bahn fotografiert worden, und genau das löste so viel Verwirrung aus am Freitagabend. Als das Kampfgericht das erste davon auswerte, entschied es zunächst zugunsten von O’Rourke. Auch mit der Bronzemedaille hätte Bolm gut leben können. Aber der deutschen Mannschaftsleitung war die Entscheidung nicht geheuer. „Auf dem einen Foto war die Irin in der Tat vorne, aber darauf ist die linke Schulter von Kirsten nicht zu sehen“, sagte Frank Hensel, der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Auf dem zweiten Bild schien dann sogar Bolm vorne zu sein. Das Kampfgericht bemühte sich, nach Ansicht der beiden Bilder den Unterschied in einer Tausendstelsekunde festzumachen. Aber schließlich stimmte es dem Vorschlag des deutschen und des irischen Verbandes zu, zwei Silbermedaillen zu verteilen. Dieses weise Urteil machte alle zufrieden. „Es wäre doof gewesen, wenn jemand unglücklich ins Bett gegangen wäre“, sagte Bolm. Vor allem hätte es nicht gepasst zu diesem Rennen und seiner Bewältigung. „Als Derval und ich auf das Ergebnis gewartet haben, haben wir uns beide gegenseitig die Hände zu Matsch gedrückt.“ Überhaupt sei der Respekt untereinander groß gewesen. „Hier werden keine Feindbilder kreiert, und ich habe auch keinem den Gefallen getan, vorher eine Kampfansage gegen Susanna Kallur zu machen“, sagte Bolm.

Bei einer großen Meisterschaft hatte Bolm sich bisher nicht unter die besten drei laufen können. Nach dem aufregenden Tag von Göteborg sagte sie: „An diesem einen Abend habe ich sogar zwei Medaillen gewonnen.“ Auf jeden Fall ist es der wichtigste Erfolg ihrer Karriere, die zwischendurch schon fast am Ende schien. „2004 hatte ich gezweifelt, ob ich überhaupt noch über die Hürden sprinten kann. Ich habe auch Existenzängste bekommen.“

Mit ihrem Psychologiestudium in Heidelberg hat es Bolm jetzt nicht mehr ganz so eilig wie beim Hürdenlaufen. Es fehlt zwar nicht mehr viel bis zum Abschluss, aber so lange sie kann, will sie sich noch auf den Sport konzentrieren. „Ich will mir nicht später vorwerfen, das ausgelassen zu haben. Diese Jahre kommen nicht wieder.“

Ihre Begeisterung für den Hürdensprint ist immer noch groß: „Es ist eine wunderschöne Disziplin, weil sie sehr rhythmisch ist“, sagt Kirsten Bolm. Die Olympischen Spiele in Peking sind daher auf jeden Fall das große Ziel, zumal Bolm trotz ihrer 31 Jahre im Training nichts wehtue. Alles andere muss noch warten. „Wenn jemand mir jetzt ein gutes Jobangebot machen würde, dann würde ich fragen: Können wir das noch zwei Jahre verschieben?“

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