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Simone Laudehr, 28, wurde mit dem Fußball-Nationalteam 2007 Weltmeisterin und 2009 sowie 2013 Europameisterin. Sie spielt für den 1. FFC Frankfurt.

© dpa

Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Kanada: Simone Laudehr: „Das hat mein Leben komplett umgekrempelt“

Nationalspielerin Simone Laudehr spricht im Interview über ihre Leidensfähigkeit, Bastian Schweinsteiger und das WM-Viertelfinale gegen Frankreich am Freitag.

Frau Laudehr, viele kennen Sie, weil es dieses Jubel-Foto nach Ihrem WM-Siegtor 2007 in China gab, auf dem Ihre Bauchmuskeln zu sehen sind. War dieses Bild für Sie eher Fluch oder Segen?

Ach ja, das Foto. Ich darf's immer noch häufig unterschreiben, das wird mich auf ewig verfolgen. Jedes Mal, wenn ich dieses Bild sehe, denke ich: Mein Gott, wieso immer dieses Foto? Nur weil ich da mein Trikot hochgezogen habe … Andersherum ist es auch eine schöne Erinnerung an eine coole, aber auch harte Zeit.

Inwiefern hart?

Ich war ganz neu, ich stieß erst zur WM-Vorbereitung zur Nationalmannschaft. Dann fährst du plötzlich zur WM, dann gewinnst du das noch und dann schießt du auch noch das 2:0. Puh, das war alles krass.

Auch bei dieser WM haben Sie schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ihr Salto über die Bande gegen Schweden ist ein kleiner Hit in den sozialen Netzwerken.

Ich war sehr schnell unterwegs und wurde von einer Gegnerin ein bisschen geschubst. Ich wollte mich noch irgendwie festhalten und euch nicht diesen Genuss gönnen, mich auszulachen. Leider war mein Schwerpunkt dann schon über dem Kopf. Naja, ich hab’s ja gut gemacht. Ich glaube, ich habe die Haltungsnote zehn bekommen.

Wenn man Sie googelt, kommt ganz oben: Simone Laudehr Verletzung. Sie sind die Schmerzensfrau im deutschen Frauenfußball. Zuletzt beim 4:1-Achtelfinalsieg gegen Schweden zeigte die Zeitlupe, wie Ihr Fuß im erschreckenden Winkel umknickte.

Ach, nach 20 Jahren des Umknickens merkt man das irgendwann nicht mehr. Es muss schon wirklich etwas passieren, bis ich mich auswechseln lasse. Zum Beispiel wenn ich merke: Wenn ich jetzt weiterspiele, würde es richtig knallen in meinen Bändern. Aber als Außenspielerin, die viel in Laufduelle geht, ins Eins-gegen-Eins... Da können mich viele nur mit Trikotziehen oder Umboxen bremsen. Das ist meistens die Lösung der Gegenspielerinnen. Da muss man auch einstecken können.

Nach vielen Verletzungen haben Sie diesmal eine starke, sehr konstante Saison mit dem Champions-League-Sieger 1. FFC Frankfurt gespielt. Was haben Sie verändert?

Nach meiner Knieoperation vor der EM 2013 war ich total froh, dass ich überhaupt wieder Fußball spielen kann. Das war eine 50:50-Chance. Es gab auch mal eine Situation bei einem Arzt. Ich musste dort etwas länger warten, weil es ein Problem gab, und letzten Endes war es so, dass ein Mann gerade die Information bekam, dass er in fünf Monaten sterben wird. Das hat in dem Moment mein Leben umgekrempelt.

Wie denn?

Ich habe einen anderen Blick für mein Leben und den Sport bekommen. Wie toll es überhaupt ist, was wir hier machen dürfen. Ich habe versucht, meine positive Denkweise auch auf den Fußball zu übertragen, zufriedener zu sein. Das war viel Einstellungssache.

Sind Sie in puncto Leidensfähigkeit her Ihrem Vorbild Bastian Schweinsteiger nahe, dem blutverschmierten WM-Helden der Männer?

Er ist auf jeden Fall mein Vorbild. Er spielt zwar nicht dieselbe Position, aber seinen Kampfgeist, sein Immer-Weiter und seine Ruhe im Spielaufbau mag ich gern. Sehr gut gefällt mir auch Andres Iniesta. Und Arturo Vidal, der sogar noch mehr Kampfschwein ist.

Sie gehören mit fünf weiteren Spielerinnen zur „Generation Neid“, die schon 2004 unter der heutigen Bundestrainerin die U-19- WM gewann. Welche prägenden Erinnerungen haben Sie an elf Jahre Silvia Neid?

Unglaublich viele Titel, unglaublich viel Koffer-Einpacken und Koffer-Auspacken, viel Training, viel Spaß, viele neue Länder und eine gute Weiterentwicklung persönlich und sportlich. Wir haben alle gemeinsam Tiefs überstanden und das hat zusammengeschweißt.

Nach Olympia 2016 tritt Neid zurück. Was wird von ihr bleiben, auch bei Ihnen?

Silvia ist 34 Jahre im deutschen Fußball, als Spielerin hat sie alles an Titeln abgeräumt, als Trainerin alles abgeräumt. Sie ist sehr ehrgeizig, sie kann nicht verlieren, ich mag’s auch nicht, aber sie gleich doppelt nicht. Fachlich ist sie eine sehr, sehr gute Trainerin. Sie kann auch die Gegner sehr gut analysieren, aber vor allem ist es ihr Ehrgeiz nach immer mehr Titeln, der sie auszeichnet.

Bis zum nächsten WM-Titel ist es für Sie noch ein längerer Weg. Am Freitag wartet im Viertelfinale zunächst Frankreich. Im frankophonen Montreal werden Sie wohl die Zuschauer gegen sich haben, oder?

Klar, man könnte sagen, dass sie in Montreal ein Heimspiel haben, aber das interessiert uns eher weniger. Die Franzosen sind eine gute Mannschaft und ich habe auch vor der WM gesagt, dass ich sie zu den Favoriten zählen, zusammen mit den USA und den Japanerinnen. Aber wir wollen ihnen unser Spiel aufzwingen und wieder diese Leidenschaft, diesen Spaß, diese Laufbereitschaft und diese Aggressivität aus dem Schweden-Spiel an den Tag legen. Wir wollen ganz klar ins Halbfinale.

Das Gespräch führte Inga Radel.

Inga Radel

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