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Sport: So leicht und besinnlich

Manch einer blickt jetzt, gerade jetzt, in der Jahreszeit der emotionalen Rückblenden, im Zorn zurück; sieht den Aufstieg von Tokio Hotel, die Ungerechtigkeit beim Deutschen Fernsehpreis, die Tage nach der Bundestagswahl und die WM-Ticket-Vergabe der Fifa. Wer so negativ auf das vergangene Jahr zurückschaut, ist wahrscheinlich Lautern-Fan.

Manch einer blickt jetzt, gerade jetzt, in der Jahreszeit der emotionalen Rückblenden, im Zorn zurück; sieht den Aufstieg von Tokio Hotel, die Ungerechtigkeit beim Deutschen Fernsehpreis, die Tage nach der Bundestagswahl und die WM-Ticket-Vergabe der Fifa. Wer so negativ auf das vergangene Jahr zurückschaut, ist wahrscheinlich Lautern-Fan. Oder ein Nürnberger. Vielleicht auch ein Anhänger von Schalke. Oder ein weinender Kölsche Jong mit trommelstockförmigen Stressflecken am Hals. Ein Fan, der – sagen wir – mit seiner Mannschaft nicht in den Honigtopf gefallen ist, wird rasch universell muffig (viele BVG-Angestellte und Berliner Post-Mitarbeiter sind übrigens Unioner …).

Wir Hertha-Fans hingegen sehen im Einklang mit uns selbst den besinnlichen Tagen entgegen. Wir erinnern uns gar nicht an all das Bedrückende vergangener Stunden. Wir denken an den letzten Sommerurlaub am Wannsee, atmen tief ein und riechen die räuchrige Erinnerung lauschiger Angelabende an der Spree. Unser Verein, unsere Hertha, hat uns die Leichtigkeit des Seins gelehrt. Wir machen kein Trainer-Heckmeck und auch sonst kein Gedöns. Warum? Ganz einfach: Wir überwintern im Uefa-Cup, ohne nur ein einziges Tor selbst geschossen zu haben. Wir stehen auf Platz 5 in der Bundesligatabelle, obwohl wir gegen Heinis wie Dortmund und Bielefeld verloren haben und obwohl Pantelic, sobald er nicht im Olympiastadion spielt, den Bobic gibt.

Es gibt nämlich keinen Grund zur Sorge, bei uns läuft es ja fast nie in einer Hinrunde. Gut, ab und an ein Hammer-Spiel, wie das eine zum Beispiel, als Bastürk Leverkusen platt macht. Aber das reicht dann auch. Da kann man sich dann auch mal kleine Entspannungen gönnen. Die man ja auch braucht, schließlich sind wir sogar noch im DFB-Pokal. Und da werden wir auch überwintern, denn am Dienstag geht es gegen den FC St. Pauli.

Zwar hat die Hertha noch nie gegen H&M oder Gucci gespielt, doch ich gehe davon aus, dass sie ein Mode-Label schlagen kann. Auch wenn ja der DFB-Pokal seine eigenen Regeln ... bla, bla, bla ...

Der legendäre Pauli-Torwart und wirklich tolle Volker Ippig hat mir einmal gesagt, Hertha solle sich ihres Sieges über Pauli nicht zu sicher sein. Die Kabinen von Heim- und Gastmannschaft würden sich am Millerntor eine einzige Toilette teilen. Dieses Klo sähe auch dementsprechend aus und so etwas seien die Herthaner mit ihren VIP-Lounges und S-Klassen ja nun gar nicht gewöhnt.

Das stimmt. Gewinnen werden wir trotzdem. Ganz entspannt. Der einzige Herthaner, der mit der Eurythmie seiner Mannschaft noch Schwierigkeiten hat, ist unser lieber Dieter Hoeneß. Da beschimpft er einen Schiri, hier schnauben seine Augenbrauen, dort wird ein Journalist gemein ignoriert. Vielleicht eine Überproduktion von Magensäure. Tea for Hoeny! Falls es das nicht ist, laufen wir jetzt, gemächlich und im Einklang mit uns selbst, zum nächsten EC-Automaten, gehen gehörig tief ins Dispo und kaufen eine Hertha-Geldanleihe, damit auch Dieter über Weihnachten diese neue BSC-Leichtigkeit fühlt.

Macht mit! Frohe Weihnachten!

Christian Ulmen, 30, ist Schauspieler und Hertha-Fan. Wenn Hertha BSC ein Heimspiel hat, erscheint seine Kolumne.

Ein Selbsterfahrungskurs in 17 Lektionen

Von Christian Ulmen

Ein Selbsterfahrungskurs in 17 LektionenVon Christ

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