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Sport: So schick kann Wolfsburg sein

Die neue Volkswagen-Arena hat das erste Bundesliga-Spiel erlebt – die Fans müssen sich an das Stadion noch gewöhnen

Wolfsburg. Wer aus dem Hauptbahnhof in Wolfsburg tritt, dem bietet sich ein tristes Bild. Graue Betonbauten säumen die Straßen, dunkle Volkswagen-Autos bilden einen einförmigen Verkehr. Bäume gibt es in der Innenstadt wenige, Menschen auch nicht. Nur eines fällt auf in der sauber gepflasterten Autostadt: ein Plakat am Bahnhofsvorplatz. Auf grell-grünem Grund kündet es von der jüngsten Errungenschaft der Stadt: „So, als ob die Erde bebt – Die Volkswagen- Arena“. Endlich was Belebendes.

„Sie müssen immer nur die Straße runter“, sagt die Imbissverkäuferin und weist mit einem stolzen Lächeln den Weg. Er führt vorbei an kleinen Straßen, großen Straßen, an Ringstraßen und an Schnellstraßen. Und irgendwann, nach etwa eineinhalb Kilometern, steht man plötzlich auf der Berliner Brücke. Und da sieht man es: das neue Stadion der Fußball-Bundesliga. Die wenigen Menschen, die in Gruppen die Brücke über den von Eisschollen belegten Mittellandkanal überqueren, bleiben stehen. Sie blicken auf das große geschwungene Glasportal am Eingan der Arena, auf das künstliche Licht, das die Spielstätte beleuchtet. So schick kann Wolfsburg sein.

Das Stadion liegt gleich neben dem Kanal, sogar ein paar Bäume wurden hier gepflanzt. Am Sonntagabend füllte sich diese moderne Idylle mit Menschen. Der VfL spielte gegen den VfB Stuttgart – und 24 147 Zuschauer kamen. „Ich spüre ein Kribbeln“, sagte VfL-Geschäftsführer Klaus Fuchs und lachte. Doch dann gab es das erste Problem.

Als um 17.30 Uhr das Spiel angepfiffen werden sollte, standen noch tausende Zuschauer draußen. Sie hatten sich bei der Anfahrt mit ihren Autos in einem neu angelegten Kreisverkehr festgefahren. Es gab Stau. Und das Spiel musste eine Viertelstunde später beginnen. Auch mit der Rasenheizung gab es ein Problem. Ein meterdicker Streifen Eis zog sich quer über das Spielfeld.

Und dennoch: Die Fans waren zunächst guter Stimmung. Sie vertrieben sich die Wartezeit mit Jubeln und Singen. Der Stadionsprecher, der unten auf dem Rasen stand und das Publikum animierte, rief ins Mikrofon: „Als Stürmer würde ich mir bei diesem Krach in die Hose machen.“ Applaus. Danach entrollten die Fans ein Transparent. Darauf stand: „Eine neue Zeitrechnung beginnt.“

Dann endlich Anpfiff. Und Ernüchterung. Die Anfeuerungen der Anfangsphase verhallen nach und nach. Die immer gleichen Rufe „VfL, VfL“ oder „Wolfsburg, Wolfsburg“ wurden immer schwächer. Stattdessen wachten die 350 mitgereisten Anhänger aus Stuttgart auf. Sie feierten laut, ja sie übertönten sogar die heimischen Fans. Und als Thomas Schneider kurz vor der Pause das erste Tor für die Gäste schoss, zündeten die Stuttgarter Fans bengalische Feuer an. Unter dem geschlossenen Stadiondach zog der Rauch nicht ab.

Am Ende gewannen die Stuttgarter 2:1 (1:0), die weiteren Tore schossen Meira für Stuttgart und Maric für Wolfsburg. Die Fans nahmen die Niederlage hin. Still verließen sie nach dem Schlusspfiff die Arena.

Am Freitag war hier mehr los. Da wurde eine Eröffnungsparty gefeiert. Die Popgruppe A-ha spielte auf, und unter den 25 000 Besuchern klatschten der deutsche Fußball-Teamchef Rudi Völler und Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge mit. „Hier muss mal die Nationalelf spielen“, schwärmte Horst R. Schmidt, Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes. Und Rudi Völler sah sich an seine alte Heimat erinnert: „Das ist so schön wie in Leverkusen.“

So viel Spaß hat Fußball in Wolfsburg bislang selten gemacht. Die Fans saßen früher in einem alten Stadion, das keine Zukunft hatte. Die Spieler mussten sich neben der VfL-Gaststätte hinter der Stadionkurve umziehen. Jetzt gibt es Profibedingungen. „Das Stadion macht uns konkurrenzfähig“, sagt Manager Peter Pander. Im Sommer lockte er Stefan Effenberg in die Provinz, dann sprach er vom Erreichen der Champions League. Jetzt das neue Stadion. Wolfsburg wächst.

Selbst der kritische Stefan Effenberg verfällt bei diesen Bedingungen in Euphorie. „Das hier toppt sogar das Olympiastadion in München“, sagt er. Aber auch in München bekommen sie ja bald ein neues Heim.

Die Volkswagen-Arena in Wolfsburg besitzt zwei Ebenen: einen Unter- und einen Oberring. Der Zuschauer kann auf einer Promenade das Stadion umgehen. Alle Plätze sind überdacht, der Stoff des Daches ist lichtdurchlässig. Da um das Stadion herum ein überlappendes Außendach entstanden ist, muss das Dach über dem Spielfeld nicht durch Pfeiler getragen werden. Die Fans haben somit im Gegensatz zum Olympiastadion in Berlin freie Sicht.

In die neue Arena kommt der Fan nur mit einer Chipkarte. 22 000 Sitzplätze bietet das Stadion. Die 8000 Stehplätze können bei internationalen Spielen in 4000 Sitzplätze umgewandelt werden. Die Zuschauer sitzen nah am Spielfeld, eine Laufbahn gibt es nicht. Statt einen Zaun zu errichten, wurde der Rasen um 2,50 Meter abgesenkt. Alles ist schön eng – so, wie der Fußballfan es mag. Wenn er denn Lust auf Stimmung hat.

André Görke

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