zum Hauptinhalt
273752_3_xio-fcmsimage-20090503175022-006010-49fdbd3e8068b.heprodimagesfotos85120090504barcelona1.jpg

© AFP

Spanisches Derby: Katalanische Exzellenz

Der FC Barcelona demontiert Real Madrid mit dem Fußball der Zukunft und siegt 6:2. Dabei verhindert Reals Torhüter Casillas mit einer starken Leistung eine noch schlimmere Demütigung.

Im Moment seines bisher größten Triumphs kam Barcelonas Trainer Pep Guardiola nicht nur die Stimme, sondern auch die Eloquenz abhanden. „Das ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens,“ krächzte Guardiola mit Tremolo ins Mikrofon. „Weil wir in Madrid gewonnen haben. Weil wir so gut gespielt haben. Weil wir so viele Tore geschossen haben.“ Aber er müsse das alles noch verarbeiten, „um mich besser ausdrücken zu können.“ Dabei fasst man Spektakel wie das vom Samstag ohnehin am besten in so dürre Worte wie möglich, schließlich klingen schon nüchternste Beschreibungen maßlos übertrieben: Mit einem historischen 6:2 (3:1)-Sieg bei Real Madrid bewies der FC Barcelona, dass in der spanischen Fußballliga derzeit keine Mannschaft mit den Katalanen mithalten kann.

Und hätte Madrids Ausnahmeschlussmann Iker Casillas nicht so viel Geistesgegenwart bewiesen, hätte es am Ende 8:2, 9:2 oder 10:2 für Barcelona stehen können. Dass der Argentinier Higuaín die Gastgeber in der 14. Minute in Führung brachte, blieb Makulatur. Das dünn besetzte Real Madrid, das mit einem lädierten Robben in der Startelf angetreten war, hatte gegen brillant aufspielenden Gäste keine Chance.

Mit einem einfachen Trick hatte Trainer Pep Guardiola die designierten Mittelfeldzerstörer Gago und Lass Diarra neutralisiert. Er versetzte Messi von der Spitze nach hinten, in die Nähe von Xavi und Iniesta. Von dort aus zog Barcelona ein beeindruckendes Kurzpassspiel auf, bei dem nicht nur der Ball mit atemberaubender Geschwindigkeit übers Feld lief, sondern sich auch die Spieler immer wieder so geschickt positionierten, dass stets zwei, drei Anspielstationen vorhanden waren. Nur eine mustergültig sortierte Abwehr hätte Barças Anläufe stoppen könenn. Bei Real Madrid war aber so gut wie gar keine Abwehr vorhanden.

Gut möglich, dass Iker Casillas irgendwann während der Partie jenes Derby vom November 2005 durch den Kopf schoss, bei dem die Zuschauer im Santiago-Bernabeu-Stadion nach einer fulminanten 0:3-Niederlage der Star der gegnerischen Mannschaft, dem Brasilianer Ronaldinho, applaudierten. Damals sah sich der Madrider Torwart den Künsten eines exzellenten Solisten ausgesetzt, diesmal musste er es mit einem ganzen Ensemble aufnehmen.

Guardiolas Team ist so stark, weil in ihm sowohl die Virtuosen wie auch die Handwerker brillieren. Es sind regelrechte Kunststücke, die den Fußball der Katalanen so attraktiv machen: eine unerwartete Körperdrehung, mit der Andrés Iniesta mitten im Lauf zwei Verteidiger von Real ausschaltete zum Beispiel; oder die Eleganz, mit der Thierry Henry zum 1:1 kreuzte; die Leichfüßigkeit, mit der Xavi Lass Diarra den Ball vom Fuß klaute und ihm Messi zum 3:1 vorlegte. Aber das Spiel des FC Barcelona baut auch auf die Zuverlässigkeit seiner Handwerker in Standardsituationen: Es war Kapitän Carles Puyol, der das Team nach einem Freistoß zum 2:1 in Führung köpfte.

„Wir müssen von der ersten Minute an Mut zeigen und angreifen, angreifen, angreifen“, hatte Guardiola seine Spieler beschwört. Dass nach einem Freistoßtreffer von Sergio Ramos Henry und später Messi nachlegten und selbst Gerard Piqué, zentraler Verteidiger, sieben Minuten vor Abpfiff Richtung Strafraum stürmte und den letzten, sechsten Treffer erzielte, zeigt, wie sehr sich das Team dieser Idee von Offensivfußball verpflichtet fühlt.

Aus Ausnahmesiegen werden in Spanien schnell mehr als Ergebnisse; aus Johan Cruyffs mythischen 5:0 im Jahr 1974 etwa wurde flugs ein Sieg über den Diktator Franco. Aus diesem Derby wird keine Chiffre für politische Befindlichkeiten werden. Das 6:2 steht allein für exzellenten Fußball. „Selten habe ich eine Partie so genossen wie diese“, schwärmte Xavi. Schöner kann man es nicht sagen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false