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Sport: Spaß trotz Diabetes

Wie der Mainzer Torwart Dimo Wache mit seiner Zuckerkrankheit umgeht

Es ist der erste Spieltag der laufenden Bundesliga-Saison. Der FSV Mainz 05 führt gegen den VfL Bochum mit 2:0. Plötzlich bittet Dimo Wache den Schiedsrichter um eine Behandlungsunterbrechung. Der Torhüter der Mainzer benötigt eine Verletzungspause ohne Verletzung. Der 33 Jahre alte Profi braucht Hilfe für ein Leiden, das keiner der 20 300 Zuschauer und keiner der 22 Feldspieler oder der Schiedsrichter sehen kann. Wache ist Diabetiker. Er muss dringend eine Zuckerlösung einnehmen, sonst würde sein Körper den Dienst versagen. Im schlimmsten Fall wäre wegen Unterzuckerung sein Leben in Gefahr.

Wache greift zu einem Beutel, den er stets zu Spielbeginn mit in sein Tor nimmt. Darin befindet sich eine Zuckerlösung, die innerhalb von zwei Minuten ins Blut geht und dem Keeper wieder zu Einsatzbereitschaft verhilft. „Dieser Beutel mit der Zuckerlösung ist meine persönliche Absicherung“, sagt Wache. Seit 1998 muss der Mainzer Kapitän mit dem Diabetes leben, der Griff zur Zuckerlösung im Spiel gegen Bochum war das erste und bislang einzige Mal, dass Wache während eines Spiels von seiner Krankheit eingeholt wurde.

Der Mainzer Kapitän ist einer von wohl nur drei Top-Athleten in Deutschland, die mit einem Typ-1-Diabetes, der chronischen und schweren Form der Zuckerkrankheit, ihrem Sport nachgehen. Anders als beim sogenannten Wohlstandsdiabetes produziert die Bauchspeicheldrüse gar kein Insulin mehr, die Krankheit ist deshalb anders als der Typ-2-Diabetes nicht heilbar. Neben Wache haben Eishockeynationalspieler Michael Hackert und Gewichtheber Matthias Steiner ihre Krankheit öffentlich gemacht, Anfang der Neunzigerjahre war auch Carsten Fischer, Kapitän der deutschen Hockey-Olympiasieger von 1992, als Diabetiker bekannt. „Wir Leistungssportler beweisen am deutlichsten, dass man mit Diabetes leben und auch Spaß haben kann“, sagt Wache.

Gerade ist das Buch „Rote Karte für Diabetes“ erschienen, in dem Dimo Wache sein Leben mit der chronischen Erkrankung beschreibt. „Ich kannte nur Bücher, die den Diabetes als etwas Schreckliches beschrieben haben“, sagt Wache. „Ich will auch mal das Positive ansprechen und mit dem Buch andere Diabetiker ermutigen, Sport zu treiben, weil die Krankheit damit am besten in den Griff zu bekommen ist.“ So viel Optimismus hatte Wache naturgemäß nicht, als er 1998 von seiner Krankheit erfuhr. Plötzlicher Gewichtsverlust, ständiger Drang zum Wasserlassen, Probleme mit der Sehstärke waren die Symptome, die den Fußballer zur Untersuchung ins Krankenhaus trieben. „Als der Arzt mir dann sagte ‚Herr Wache, Sie haben Diabetes‘, da ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, erzählt der Profi. „Am Anfang war ich total verzweifelt. Ich habe es auch zuerst verheimlicht. An meiner Tür im Krankenhaus stand ein anderer Name, damit ja keiner merkt, dass der Fußballprofi Wache jetzt Diabetiker ist.“ Erst ein auf Diabetes und Sport spezialisierter Arzt in Düsseldorf zeigte Wache Wege, wie er trotzdem weiter im Profifußball arbeiten konnte.

Tatsächlich kennt der Torwart heute kaum Einschränkungen in seinem Trainingsalltag. „Ich muss nur ständig meine Zuckerwerte messen. Vor dem Training, nach dem Training, nach dem Aufstehen, vor dem Schlafengehen“, berichtet Wache. „Und ich muss bewusster bei der Nahrungsaufnahme vorgehen. Wenn ich mir früher mal an der Tankstelle einen Schokoriegel reingepfiffen habe, überlege ich heute zweimal, weil ich dann Insulin spritzen muss.“ Gerne vergleicht Wache sein neues Leben mit einer Achterbahnfahrt. Ständig gibt es aufgrund der Zahl auf dem Messgerät, das den Zuckerwert angibt, Hochs und Tiefs. „Das passt ja auch zu meinem Verein“, scherzt Wache. Dort befand er sich nach dem langen Tief der Hinrunde mit der persönlichen, kurzzeitigen Degradierung zum Ersatztorwart wieder in einem wochenlangen Hoch, nach drei Niederlagen in Serie sind die Mainzer nun aber Vorletzter und müssen weiter kämpfen. „Sicherlich hat mir in unserer und meiner persönlichen Krise in der Hinrunde auch geholfen, dass ich durch meine Krankheit gelernt habe, mit Rückschlägen umzugehen“, sagt Wache. „Ich habe gelernt, niemals aufzugeben.“

Dimo Wache (mit Gabi Hoffbauer): Rote Karte für Diabetes; Südwest-Verlag, 14,95 Euro.

Daniel Meuren[Mainz]

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