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Sport: Spektakulärer Sieg gegen Deutschland unbedingt nötig

Scheinbar spurlos sind die Jahre an dem Modellathleten vorübergegangen. Stress verspüre er bei seiner Arbeit keineswegs, beteuert Franklin Edmundo Rijkaard, während er an seiner Zigarette zieht.

Scheinbar spurlos sind die Jahre an dem Modellathleten vorübergegangen. Stress verspüre er bei seiner Arbeit keineswegs, beteuert Franklin Edmundo Rijkaard, während er an seiner Zigarette zieht. Seit der 36-Jährige im Oktober 1998 ein wenig überraschend zum Bondscoach, zum Trainer der holländischen Nationalmannschaft ernannt worden war, konnte das erfolgsverwöhnte Starensemble der Niederlande in zwölf Spielen zwar nur einmal gewinnen. Seine Position hält der Übungsleiter des Oranje-Teams trotz anhaltender Sieglosigkeit dennoch nicht für gefährdet: "Ich fühle mich keineswegs unter Druck, im Gegenteil, ich glaube an das, was ich mache."

In 15 Jahren Profifussball hatte der 73-malige Nationalspieler bei Ajax Amsterdam und dem AC Mailand bis zum Ende seiner Karriere 1995 insgesamt 24 Titel gesammelt. Seine 25. Trophäe und seinen ersten Titel als Trainer soll Rijkaard seinen Landsleuten im Sommer bescheren: Die holländische Mannschaft gilt als einer der aussichtsreichsten Titelkandidaten bei der Europameisterschaft, zumal die Mannschaft auch noch Heimrecht genießt.

Eher skeptisch hatte die holländische Öffentlichkeit vor 18 Monaten auf die verblüffende Ernennung von Rijkaard zum Nationaltrainer reagiert. Immerhin galt der frühere Weltklasse-Libero als medienscheu und schwierig. Bissig bis besorgt fragten sich die Kommentatoren, ob der zweitjüngste Bondscoach in der Geschichte des holländischen Fussballs den Anforderungen seines neuen Amtes wohl gewachsen sei. Zwar konnte das bei der Weltmeisterschaft in Frankreich noch so überzeugend auftrumpfende Oranje-Team das erste Spiel unter Rijkaard gegen Peru 2:0 gewinnen. Doch seitdem gehts bergab, und die Kritiker fühlen sich bestätigt: Der kann es nicht. Siege blieben aus, und das längere Zeit - wann hatte es so etwas schon mal gegeben im hollänischen Fuissball? Gab es so etwas überhaupt schon einmal? Ja, aber es ist lange her. Fast 50 Jahre, um genau zu sein. Zwischen 1951 und 1953 gabs 13 Spiele in Folge ohne Sieg. Eine Bilanz, die noch schlechter ist als die von Rijkaard. Aber diese Misere ist ein halbes Jahrhundert her. Deshalb wächst die Unruhe bei den holländischen Fans.

"Oranje verliert stets mehr sein eigenes Gesicht - und lechzt nach einem Coach, der für Deutlichkeit sorgt", schrieb bereits im vergangenen Oktober das Fachblatt "Voetbal International"; eine klare Botschaft mithin: Werft Rijkaar raus! "So schlecht, wie es die Presse darstellt, haben wir sicherlich nicht gespielt", erwidert da der Bonscoach, der bei Spielern und Fans nachwievor sehr populär ist. Als EM-Gastgeber habe sein Team seit der WM Freundschaftsspiele bestreiten können. Und wie schlecht man in denen aussehen kann, ja bitte, da könne man sich ja mal gerne bei den Deutschen erkundigen. Freundschaftsspiele? Wer geht denn in die mit höchster Motivation? Die Holländer auf jeden Fall nicht. Das weiss er och, er Frank Rijkaard, "deshalb habe ich mein Team bewusst gegen eher starke Mannschaften spielen lassen. Wichtiger als das Resultat waren dabei die Fortschritte, die wir gemacht haben."

Die neun Unentschieden, die seine Elf gegen so renommierte Teams wie Brasilien, Argentinien, Deutschland oder Portugal erzielte, können jedoch auch ihn nicht ganz zufrieden stellen: "Es ist deutlich: Nicht nur die Mannschaft, sondern auch die niederländische Fussballnation braucht mal wieder einen Sieg. Ich bin darum froh, dass die EM endlich näher rückt. Denn meine Spieler wissen nun, um was es geht."

Da kommt Deutschland als Gegner gerade recht. Auch ein Freundschaftsspiel, das da am Mittwoch stattfindet in der ausverkauften Amsterdam Arena, aber eines mit Brisanz. "Gegen Deutschland ist ein spannendes Match immer garantiert." Kann man so sagen. Streit gibts nebenbei noch dazu. Zum Beispiel beim WM-Viertelfinale 1990, als Rijkaard den deutschen Torjäger Rudi Völler anspuckte. Aber an dieses Spiel eckt Rijkaard weniger. Er hat ein anderes Match im Hinterkopf: Das 1:1 im November 1998 in Gelsenkirchen: "Wir spielten damals in der ersten Halbzeit sehr gut, doch vergaßen wieder einmal, den Sack zuzumachen." Vor allem die "gewisse Siegermentalität" deutscher Teams imponiert ihm: "Deutsche kämpfen bis zur letzten Minute."

Hatte der Nationalcoach in seinen ersten Spielen verstärkt Talenten aus der Ehrendivision eine Chance gegeben, so setzt er nun im Wesentlichen auf die im Ausland spielenden WM-Stars: "Die meisten sind nun zwischen 26 und 28 Jahre alt, sie stehen im Zenit ihres Könnens und sind in Form. Für Talente ist es da schwer, sich durchzusetzen." Dass Schlüsselspieler wie die De Boer-Zwillinge in Barcelona regelmäßig die Ersatzbank drücken, erfüllt Rijkaard zwar "mit ein wenig Sorge". Doch angesichts des hochklassig besetzten Oranje-Kaders rechnet er bei der EM mit "keinen Problemen". Es könnte, rein theoretisch, ganz andere Probleme geben: die Entlassung von Rijkaard. In Holland fackelt man nicht lange. Ja ja, schon richtig, sagt Rijkaard, aber das gilt für andere, nicht für ihn: "Ich arbeite gut mit der Mannschaft, und wir haben bald ein starkes Team." Aber das sagen sie alle. Bis sie nichts mehr zu sagen haben.

Thomas Roser

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