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Sport: Spieler, Trainer, Sensationen

Wie Nationalcoach Hans Zach zu einer Sonderrolle im deutschen Eishockey kam

Von Sven Goldmann

und Claus Vetter

Berlin. Zuweilen nimmt die öffentliche Person Hans Zach eine Auszeit. Das ist sorgfältig geplant und sieht so aus: Etwa eine Stunde vor den Spielen seines Teams unternimmt der Eishockey-Bundestrainer mit seinem Assistenten Ernst Höfner und Bernhard Englbrecht einen Spaziergang. Zach verlässt die Halle durch einen Hinterausgang, nach ein paar Sekunden folgen Höfner und Englbrecht mit gebührendem Abstand.

Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Hinter der Bande oder auch nach einem Spiel wird Zach für seine polternden Auftritte geliebt und gefürchtet – zuweilen wohl auch gehasst, aber dafür gibt es keinen in der Öffentlichkeit vorzeigbaren Beleg. Kein Wunder, der Trainer ist der Star bei der deutschen Nationalmannschaft. Was Zach sagt, das gilt. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Zach hat das in die Zweitklassigkeit abgerutschte Team im Jahr 2000 wieder in die Weltmeisterschafts-A-Gruppe geführt, in der die besten Mannschaften spielen. Zuletzt erreichte sein Team bei zwei WM-Teilnahmen und den Olympischen Spielen 2002 jeweils das Viertelfinale.

Zachs Charisma ist das Understatement. Vor dem Spiel hat seine Mannschaft eigentlich nie eine Chance. Auch bei der am Sonnabend beginnenden WM in Finnland ist das so. „Es ist kein Selbstläufer, dass wir die A-Gruppe halten“, sagt Zach. Vor dem Auftaktspiel gegen Japan warnt er vor einer Eishockey-Großmacht, die interessanterweise als einzige noch bei keiner WM ein Spiel gewonnen hat. „Fragen sie die Chinesen, die haben in der WM-Qualifikation 0:15 gegen die Japaner verloren. Nur wenn wir wissen, dass wir gegen Japan verlieren können, gehen wir gut vorbereitet ins Spiel.“ Nun, die Chinesen hat niemand gefragt, warum auch, sie haben noch nie an einer WM-Endrunde teilgenommen und werden es wohl auch nie.

Doch Zach ist nicht nur ein Meister der Bescheidenheit. Oft hat es den Anschein, als diene ihm diese nur als Rechtfertigung für seine Begeisterung – wenn sich nach getaner Arbeit doch der Erfolg einstellt. Dann kann Zach jubeln wie kein Zweiter. Als seine Nationalmannschaft im vergangenen Jahr bei der WM in Schweden 3:2 gegen Lettland gesiegt hatte, feierte der Bundestrainer dieses als „eine Weltsensation“. Der 1:0-Erfolg am Mittwoch in der Berliner Deutschlandhalle gegen Weißrussland taugte immer noch zu einem „historischen Erfolg“.

Lust auf harte Arbeit

So kurios Zachs rhetorische Inszenierungen vor und nach den Spielen sind, so ungewöhnlich sind auch die Kriterien, die er für die Rekrutierung seines Personals festlegt. Gegenüber den Profis aus Nordamerika ist er misstrauisch eingestellt – erst recht, wenn sie wie Washingtons Torhüter Olaf Kölzig als einzige Verbindung zur Heimat einen deutschen Pass aufweisen. Obwohl Kölzig einer der besten Torhüter der Welt ist, hat Zach nie richtig mit ihm geplant. Immerhin überließ der Trainer dem Deutsch-Kanadier das Privileg, selbst abzusagen. Das trifft auch für den Mannheimer Jochen Hecht zu, der für Edmonton in der NHL spielt. Allein den bodenständigen Marco Sturm hätte Zach gern mit nach Finnland genommen, aber der hat sich mit San Jose noch nicht auf einen neuen Vertrag geeinigt, besitzt deswegen keinen Versicherungsschutz und darf somit nicht spielen.

Auch Erfolge in der Deutschen Eishockey- Liga haben nicht zwangsläufig eine Berufung in das Nationalteam zur Folge. Zach lässt sich seine Definition von gut oder schlecht nicht durch Statistiken vorschreiben. Gut ist, wer hart arbeitet; wer sich dafür zu schade ist, den guckt er gar nicht erst an. Vor zwei Jahren bei der WM in Deutschland ließ Zach Robert Hock, den erfolgreichsten deutschen Stürmer, zu Hause, weil er ihm nicht athletisch genug spielte. Und Sven Felski von den Berliner Eisbären, eines der ewigen Talente im deutschen Eishockey, wurde von Zach lange nicht berücksichtigt, weil er den defensiven Part eines Außenstürmers nicht so interpretierte, wie es Zach für angemessen hielt.

Auf der anderen Seite ist Zach nicht nachtragend. Wer an sich arbeitet, dem gibt er eine neue Chance. Der vor zwei Jahren durchgefallene Techniker Hock wurde vom Bundestrainer nach einer Saison des Reifens für so gut befunden, dass Zach ihn zu seinem Klub nach Köln holte. Nach einem Jahr haben beide, Trainer und Spieler, eingesehen, dass das wohl keine so gute Idee war. Hocks bis 2004 datierter Vertrag wurde jetzt aufgelöst. Der Berliner Felski dagegen gehört wieder dazu, und das liegt wohl auch daran, dass sein Vereinstrainer Pierre Pagé versprochen hat, aus dem ewigen Talent „den besten Defensivstürmer Europas“ zu machen.

Felski hat seine Lektion von Zach gelernt. Vor dem WM-Auftakt gegen Japan klingt das aus Felskis Mund so: „Japan müssen wir ernst nehmen, das ist ein schwerer Gegner.“ Letztes Jahr gewannen die Deutschen das Duell mit dem Asienmeister knapp mit 9:2.

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