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Sportschulen: Erfolg oder Scheinerfolg?

Die meisten deutschen Olympiamedaillen im Winter werden von Absolventen der Eliteschulen des Sports gewonnen – trotzdem ist die Institution umstritten.

Die deutsche Olympiamannschaft kann nichts so leicht umwerfen, nicht einmal ins Wanken dürfte sie kommen, weil der Staat ihr so viele Säulen als Fundament hingestellt hat: Das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten baut den Athleten die Schlitten und Eisschnelllaufkufen für ihre Medaillen, die Bundeswehr und die Bundespolizei bieten ihnen Arbeitsplätze an, ohne dafür große Arbeitsleistung zu fordern, damit sie sich ganz auf ihren Sport konzentrieren können. Die Säule, die am tiefsten nach unten reicht, ist jedoch die Schule. In den Eliteschulen des Sports sollen die Karrieren beginnen.

Mehr als die Hälfte der deutschen Olympiaathleten in Vancouver war oder ist auf einer Eliteschule, 79 von 153. Vor vier Jahren bei den Spielen von Turin gewannen Eliteschüler des Sports drei Viertel der deutschen Medaillen oder waren in den Mannschaftswettbewerben an ihnen beteiligt. So liest sich eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Doch um Sinn und Zweck von Eliteschulen schwelt ein Streit, in dem es bisweilen auch um ideologische Grundsätze geht.

Der Sportsoziologe Eike Emrich spricht bei den Erfolgen der Eliteschulen von einer "Scheinkorrelation". So wie der Wintersport funktioniere, sei es kein Wunder, dass die deutschen Athleten so erfolgreich abschnitten. "Die Bestenauslese ist nicht so hart wie in den Sommersportarten, man muss sich in Deutschland nicht so starker Konkurrenz erwehren", sagt der Professor von der Universität des Saarlands. Die besondere Förderung des Wintersports und die Abhängigkeit vom Material begünstigten den Effekt. Außerdem seien Eliteschulen gut an Wintersportstätten wie Eisbahnen und Bobbahnen angebunden. Die hohe Zahl an Medaillengewinnen bedeute also – so gut wie gar nichts.

Um Sinn und Zweck von Eliteschulen schwelt ein Streit

Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes wollen sich ihre Bilanz allerdings nicht kaputtreden lassen. Gerade jetzt, wo die Eliteschulen scheinbar große gesellschaftliche und politische Anerkennung gefunden haben. Nach der Wiedervereinigung war das Modell Sportschule schließlich zunächst verpönt. Die Kinder- und Jugendsportschulen der DDR galten als Medaillenschmiede, in denen die Bildung zugunsten des Sports vernachlässigt wurde und straffes Erfolgsdenken herrschte.

Als jedoch die olympischen Medaillen für das vereinte Deutschland nicht wie erhofft in Strömen herabregneten, entdeckten einige Sportfunktionäre und Sportpolitiker ihre Liebe zur Sportschule. Die Kritiker melden sich dennoch regelmäßig zu Wort. Infrage gestellt wird, ob die Eliteschulen die langfristige sportliche, berufliche und persönliche Entwicklung fördere. Eike Emrich moniert: "Der Besuch von Eliteschulen ist häufig mit erhöhten individuellen und sozialen Kosten verbunden, denen jedoch keine erhöhten Bildungs- und Berufschancen gegenüberstehen." Eine Studie habe ergeben, dass Absolventen von Eliteschulen seltener höhere Bildungsabschlüsse erreichen.

Modell steht nicht zur Diskussion

Was dem Sport die Bildung wert ist, das steht also im Zentrum des Streits. Robert Prohl, Leiter des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Frankfurt am Main, sagt: "Der Deutsche Olympische Sportbund verweigert eine kritische Evaluation der Eliteschulen. Die Sportfunktionäre beschäftigen sich zu oft mit Fragen wie der, ob die Toilette in der Eliteschule nicht besser im Erdgeschoss als im ersten Stock sein soll, damit die Schüler mehr Zeit zum Trainieren haben."

An einer wichtigen Position haben die Eliteschulen nun mit Ulf Tippelt wieder einen Fürsprecher. Er ist Leistungssportdirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und weist erst einmal den Vorwurf zurück, der Dachverband sperre sich gegen eine Diskussion um die Eliteschulen. "Ist das denn ein Qualitätskriterium für eine Schule, dass möglichst viele Schüler studieren?", fragt Tippelt. "Es wird immer behauptet, dass ein Studium das Nonplusultra ist." Eliteschüler seien in den unterschiedlichsten Ausbildungsgängen zu finden.

Möglicherweise wird es in Zukunft auch mehr Realschulen des Sports geben, nicht vorwiegend Gymnasien. Das Modell an sich steht für Tippelt jedoch nicht zur Diskussion. "Es gibt einen breiten Konsens über die Notwendigkeit des Ausbaus von Eliteschulen", sagt Tippelt. Die Vorteile der Eliteschulen lägen auf der Hand: etwa die Möglichkeit, die Schulzeit flexibel zu gestalten nach den Anforderungen von Training und Wettkampf und außerdem, die Schulzeit zu strecken. Dass in Eliteschulen die Bildung abseits des Sports benachteiligt wird, hält er für ein Gerücht: "Es geht in den Eliteschulen um die Entwicklung einer Gesamtpersönlichkeit. Es gibt auch nicht die Eliteschule des Sports. Die Unterschiede zwischen den vierzig Eliteschulen sind sehr groß." Sie entwickelten sich ständig weiter. Der Streit hört trotzdem nicht auf.

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