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Sport: Sportverein mit Ladenöffnungszeiten

Die Turngemeinde in Berlin hat ein einfaches Mittel gegen kommerzielle Anbieter: ein eigenes Fitnessstudio

Im Verein ist Sport am schönsten. So haben die Sportverbände bisher geworben. Aber die Vereine haben schwer zu kämpfen. Sie müssen sich gegen kommerzielle Konkurrenz behaupten, sie haben es mit einer sich wandelnden Gesellschaft zu tun, die immer älter wird, in der viel Bewegungsarmut herrscht und neue soziale Konflikte auftauchen, etwa durch Migration. Wir stellen in den kommenden Wochen Berliner Vereine vor, die modellhaft diese Herausforderungen angenommen haben. Heute Folge 1: die Turngemeinde in Berlin und ihr Angebot zum Fitnesssport.

Das Vereinsleben beginnt hier schon um neun Uhr morgens. Dann können die Mitglieder mit dem Sport anfangen und weitermachen bis in die späten Abendstunden. Es ist auch immer jemand da, der ihnen erklärt, wie sie richtig fit bleiben. Wenn sie genug davon haben, können sie noch in die Sauna gehen oder im vereinseigenen Bistro etwas trinken. Das Sportzentrum der Turngemeinde in Berlin 1848 (TiB) am Columbiadamm zwischen Kreuzberg und Neukölln sieht einem Fitnessstudio zum Verwechseln ähnlich mit seiner Rezeption, den Geräten für Kraft- und Ausdauertraining und dem kleinen Bereich, den man der Kategorie „Wellness“ zuordnen könnte.

Vor fünf Jahren hat die TiB ihr eigenes Fitness- und Sportstudio aufgemacht, und seitdem muss der Verein die Konkurrenz der kommerziellen Anbieter nicht mehr fürchten. Die beste Strategie, sich gegen die kommerziellen Studios zu wehren, ist wohl, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Inzwischen haben gleich mehrere Vereine in Berlin ihr eigenes Studio eröffnet, auch ProSport 24 gehört dazu, der SC Siemensstadt, der Kanuklub Charlottenburg. „Viele unserer Mitglieder waren früher in kommerziellen Sporteinrichtungen“, sagt der stellvertretende TiB-Vereinsvorsitzende Udo Haberer, der für die Planungen des Fitnessstudios verantwortlich war. 1400 Mitglieder hat die Fachgruppe Fitness- und Gesundheitssport, so nennt sich die Abteilung innerhalb der Turngemeinde, die insgesamt 3800 Mitglieder in den mehr als zwanzig Abteilungen hat.

Gerade der älteste Turn- und Sportverein in Berlin macht also seinen Mitgliedern ein besonders modernes Angebot. Seit drei Jahren gibt es Fitness- und Gesundheitssport. So offen und individuell zu sein wie ein Fitnessstudio und so verbindlich wie ein Verein, das ist das Ziel. „Wir sind deutlich familienorientierter als ein normales Sportstudio“, sagt der Vereinsvorsitzende Ferdinand Horbat, und sein Stellvertreter Haberer ergänzt: „Die Leute fasziniert, dass sie bei uns auf dem Gelände auch noch Freizeitfußballer sehen, Beachvolleyballer, Frisbeespieler und viele andere.“

Im Gegensatz zum kommerziellen Sportstudio geht es im Verein schon wegen der Gemeinnützigkeit demokratisch zu. In der Fachgruppe entscheiden die Mitglieder selbst, was aus ihren Beiträgen wird, ob sie für einen höheren Beitrag eine Erweiterung des Angebots, neue Geräte und Kurse wünschen oder was auch immer. Der Monatsbeitrag liegt derzeit bei 26,50 Euro für das Kursangebot und die Sauna und bei 43 Euro, wenn ein Mitglied auch noch den Kraftraum nutzen will. Haberer sagt: „Die Leute wollen das sehen, was sie in einer kommerziellen Einrichtung auch vorfinden.“ Im vereinseigenen Fitnessstudio bekommen sie eine Einweisung in die Geräte, ein Probetraining, einen Gesundheitscheck und werden von Fachpersonal betreut. Wie in größeren Fitnessstudios gibt es auch ein breites Angebot an Kursen. Die Beiträge sind gerade so hoch, dass sie die Kosten decken. Auch ein festangestellter Haustechniker wird von den Beiträgen bezahlt. Im Studio können nicht nur Vereinsmitglieder trainieren, der Verein bietet auch Tageskarten für Gäste an.

Weil es ein großer Verwaltungsaufwand für einen ehrenamtlichen Vorstand ist, hat sich der Verein etwas einfallen lassen. Es trägt den komplizierten Namen „Geschäftsbesorgungsvereinbarung“, ist aber im Grunde ein einfaches Verfahren. Der Gesamtverein übernimmt Aufgaben der Fitnessabteilung und erhält dafür 50 Cent pro Mitglied und Monat. Das Geld fließt dann in die Jugendarbeit.

Von den deutschen Turnvereinen haben inzwischen schon etwa 150 ihr eigenes Fitnessstudio eingerichtet. Die Voraussetzungen dafür erfüllt allerdings nicht jeder Klub. Es sollte schon ein großer Mehrspartenverein sein. Denn die Investitionen sind hoch. Fünf Millionen Mark hat der Umbau einst gekostet. „Man braucht vor allem einen langen Atem“, sagt Haberer. Mit dem Ergebnis ist er sehr zufrieden. „Die Nische, in die wir wollten, haben wir besetzt. Die Fluktuation ist zwar höher als in unserer Tennisabteilung, aber die Bindung an den Verein ist dennoch höher als an ein Fitnessstudio.“ Vereinssport kann schließlich auch heißen: Mitglied sein in einem selbstbestimmten Fitnessstudio.

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