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Stadien: Wembley hoch vier

London hat bald neue Stadien mit Platz für 300.000 Zuschauer. Fußballfans dürfen allerdings nicht überall rein.

Wembley am Abend ist ein beeindruckendes Erlebnis. Hell leuchtet der 133 Meter hohe Bogen des von Norman Foster konzipierten Stadions. Natürlich sind die Londoner stolz auf ihr neues Nationalheiligtum, auch wenn es verdammt teuer war (1,4 Milliarden Euro) und eher sporadisch genutzt wird. In Wembley finden ausschließlich die englischen Pokalfinals statt und Länderspiele, das gestern zwischen England und Deutschland war die vierte Veranstaltung seit der Eröffnung im März. Das hätten die Londoner auch billiger haben können, denn Wembley ist keineswegs ein Solitär in der fußballbegeisterten Stadt. London leistet sich gleich vier Großarenen mit einer Gesamtkapazität von mehr als 300 000 Zuschauern. Neben Wembley noch Twickenham (82 000), Emirates Stadium (60 000) und das für 2012 geplante Olympiastadion, das gerade gebaut wird und ebenfalls 80 000 Zuschauer fassen wird.

Das ist viel Platz und Potenzial für manche Diskussion. Nicht alle Londoner haben verstanden, warum im Osten der Stadt unbedingt ein Olympiastadion gebaut werden musste, ja warum sich London überhaupt für die Spiele beworben hat. Die Kosten ufern aus, und schon jetzt läuft London zu jeder Jahreszeit von Touristen über. Doch die Spiele sind vergeben, das Stadion wird gebaut und weckt schon erste Begehrlichkeiten. West Ham United spielt mit dem Gedanken, in den Stadtteil Stratford zu ziehen. Der Traditionsklub aus dem Osten Londons fühlt sich im 1904 errichteten und nur 35 000 Zuschauer fassenden Upton Park allzu beengt. Das Kapital für einen eventuellen Kauf steht zur Verfügung. West Ham gehört mittlerweile einer isländischen Investorengemeinschaft, die Himmel und Hölle in Bewegung setzt, den Klub an die Spitze der Premier League zu führen.

Auch Tottenham Hotspur hatte mal an einen Umzug ins Olympiastadion gedacht. White Hart Lane, das traditionsreiche Stadion der Nord-Londoner, liegt in einem dicht besiedelten Wohngebiet, so dass die bei 36 000 Zuschauern liegende Kapazität bei laufendem Spielbetrieb nur schwer auszubauen ist. Das Projekt Olympia aber kam bei den Fans nicht an, so dass der Klub jetzt eine neue Strategie verfolgt: einen kurzzeitigen Umzug nach Wembley. Laut „Daily Mail“ sind die Pläne schon so weit gediehen, dass die Spurs im kommenden Sommer für eine Saison nach Wembley ausweichen und zur selben Zeit die White Hart Lane ausbauen.

Tottenhams Nord-Londoner Rivale Arsenal ist ebenfalls in einem reinen Wohngebiet zu Hause. Um sich den Traum vom zeitgemäßen Stadion zu erfüllen, verließ der Klub im Sommer vergangenen Jahres sein ehrwürdiges Highbury-Stadion und zog ein paar hundert Meter weiter ins Emirates Stadium. Highbury hatte mit seinen abgetretenen Steinstufen und der anheimelnden Ungemütlichkeit noch den Geist der Dreißiger Jahre verkörpert, im Emirates Stadium herrscht die Moderne. Zwischen Ober- und Unterring befindet sich ein Sponsoren-Trakt, der der Stimmung nicht unbedingt zuträglich ist. Die Profis beschweren sich schon mal über die laue Atmosphäre. Dafür garantiert das Emirates Stadium mit seiner Kapazität von 60 000 Zuschauern eine wirtschaftliche Basis, die Arsenal für die absehbare Zukunft einen Platz unter den Topklubs in der teuersten Liga der Welt sichert.

Fast alle großen Stadien liegen im Norden der Stadt, der Süden hält allein Twickenham dagegen. Das nationale Rugby-Stadion feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag, es ist gerade mal wieder ausgebaut worden und fasst jetzt 82 000 Zuschauer. Man legt Wert auf gutes Benehmen. Vor dem Stadion warnt ein Schild, es sei bei einer Geldstrafe von 80 Pfund verboten, auf der Straße zu urinieren. Von grölenden Fußballfans wollen sie hier nichts wissen. Seit 100 Jahren wird in Twickenham nur Rugby gespielt. Eine Ausnahme macht der Verband nur für Konzerte der Rolling Stones. Deren Frontmann Mick Jagger ist bekennender Fußballfan und gewiss auch gerngesehener Gast beim Pokalfinale, das seit diesem Jahr wieder in Wembley stattfindet. In dem schönen, neuen Stadion, das London so dringend gar nicht gebraucht hat.

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