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Sport: Stark geredet

Als auch deutsche Unternehmen in den Zwanzigerjahren begannen, unter dem Schlagwort des Taylorismus den Arbeitsprozess zu analysieren und rationalisieren, wurde bald auch der Wert des populären Fußballsports verhandelt. Schließlich bilde dieses Spiel, meinten jedenfalls seinerzeit führende Arbeitswissenschaftler, exakt jene Fähigkeiten aus, mit denen Angestellte zur Produktivitätssteigerung beitragen sollten.

Als auch deutsche Unternehmen in den Zwanzigerjahren begannen, unter dem Schlagwort des Taylorismus den Arbeitsprozess zu analysieren und rationalisieren, wurde bald auch der Wert des populären Fußballsports verhandelt. Schließlich bilde dieses Spiel, meinten jedenfalls seinerzeit führende Arbeitswissenschaftler, exakt jene Fähigkeiten aus, mit denen Angestellte zur Produktivitätssteigerung beitragen sollten. Gemeint waren Eigenschaften wie "räumliches Sehvermögen", "Flächensehschärfe", "Bewegungsgeschwindigkeit", "Augenmaß", "Aufmerksamkeit", "Reaktion" und "Zeitauffassung". Der Feuilletonist Siegfried Kracauer vermutete sogar, "ein hervorragender linker Stürmer" sei klar im Vorteil "beim Sturm auf vakante Stellen".

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Für den Fußball ist dieses komplexe Anforderungsprofil im Grundsatz gleich geblieben. "Geistige Flexibilität", "mentale Stärke" oder "absoluter Siegeswillen", so lauten momentan die liebsten Phrasen im Wortschatz des Fußballtrainers. Bayer Leverkusens Klaus Toppmöller bediente sich am Samstag dieser Schlagworte. Der Sieg, den seine Spieler gegen Energie Cottbus erst mit der letzten Aktion des Spiels sicherstellten, war wenig meisterlich gewesen. Dennoch wollte Toppmöller am liebsten nicht über die klägliche Chancenverwertung reden, nicht über den verschossenen Elfmeter Kirstens, nicht über die vielen Bälle, die von Ballack und Schneider in den leeren Raum getreten wurden. Toppmöller tat das, was er am besten kann: Er redete seine Mannschaft stark.

Sicherlich habe seine Elf nach dem ersten Tor "den Faden verloren", in der zweiten Halbzeit aber "wollten wir unbedingt das zweite Tor, da haben wir Dampf gemacht". Kein Wort verlor er über den stets in der Öffentlichkeit verhandelten Substanzverlust, der seinem Team angeblich so zusetzen soll. Das Gegenteil sei der Fall, meinte der Trainer, der Beweis sei die Reaktion seiner Stammspieler auf seine laut gedachte Überlegung, die halbe Mannschaft rotieren zu lassen: "Dass alle unbedingt spielen wollten, zeigt unsere mentale Stärke."

Cool trat Torschütze Zé Roberto auf, dem Toppmöller erneut "ein Riesenspiel" attestierte. "Ich habe letzte Woche gemeint, ich sollte mal aussetzen", bekannte der in Höchstform spielende Mittelfeldakteur. Aber als Toppmöller den Spielern einen Tag freigegeben hatte, habe er sich voll motiviert gefühlt und "gut erholt". Im übrigen finde er es normal, wenn im Frühjahr "die Kondition nicht mehr ganz so vorhanden ist". Ob nicht die Tatsache frustrierend sei, wenn immer die gleichen elf Spieler auf dem Platz stehen müssten, um den Erfolg zu garantieren? Natürlich "muss es sich auswirken, dass wir nicht wie Bayern oder Barcelona auswechseln können". Aber, analysierte Zé Roberto, er habe nun einmal keinen Einfluss auf die Einkaufspolitik. An dem brasilianischen Profi wurde gleichzeitig deutlich, dass die Champions League in Leverkusen zurzeit als reine Nebensache betrachtet wird. "Ich will mit einem Titel aus Leverkusen weggehen", sagte Zé Roberto, und meinte damit selbstverständlich die Deutsche Meisterschaft.

Am Dienstag steht das vorentscheidende Gruppenspiel gegen Juventus Turin an, die Mannschaft aber hat offenbar die nebulösen Umstände des Hinspiels fast völlig verdrängt. Wenn Zé Roberto vom Ehrgeiz sprach, "das 0:4 von Turin wettzumachen", dann klang das merkwürdig emotionslos. Sollte sich bei Bayer am Ende gar jene kühle Professionalität einstellen, jener fußballerische Taylorismus, mit der sich Bayern München oder Manchester United von anderen Klubs abheben?

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