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STEIL Pass: Kevins Sonnenbrille

Philipp Köster glaubt nur an Teilzeit-Vorbilder

Fußballer sind in der Regel harmlose junge Burschen. Trinken Apfelsaft, putzen sich abends die Zähne und sitzen sonntags bei Mutti am Küchentisch. Nur ganz selten fallen sie aus der Rolle und brettern, zum Beispiel, um fünf Uhr morgens im eigenen Auto mit 1,46 Promille über den Ku’damm. Wird ein Fußballer bei so was erwischt, ist natürlich gleich die Aufregung groß, balkendicke Überschriften auf dem Boulevard, sorgenvolle Mienen bei den Verantwortlichen – und mindestens einer der Beteiligten sagt dann den schönen Satz: „Er muss sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein.“

Ein altväterlicher Rat, der immer gut ankommt, der aber Quatsch ist. Denn er verkauft die Kinder und Jugendlichen für dumm. Die können nämlich recht gut unterscheiden zwischen dem, was auf dem Platz passiert und dem ganzen Tamtam drumherum. Glaube doch keiner, dass Kinder im Wedding nun begeistert Trunkenheitsfahrten auf dem Ku’damm nachspielen. Und kein Jugendlicher in Charlottenburg wird nun ins Optikergeschäft rennen und nach der bizarren Angebersonnenbrille fragen, die Kevin-Prince Boateng in Tottenham aufträgt.

Natürlich schauen Kinder zu den Spielern auf. Sie sind Idole, beinahe Heilige. Als ich zehn Jahre alt war, hätte ich Karlheinz Förster auch als Bundeskanzler gut gefunden, weil der Stuttgarter ein so knochenharter Abwehrspieler war. Und mit zwölf verehrte ich Mittelfeldmann Helmut Schröder von Arminia Bielefeld heiß und innig, weil der gute Mann mit links durch Stahlbetonwände schießen konnte. So hätte ich auch gerne schießen wollen. Was Schröder außerhalb des Platzes machte, war mir hingegen egal. Und so geht es Kindern heute noch.

Hoffe ich jedenfalls.

„11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit Stefan Hermanns.

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