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STEILPASS Fans: Kleine Geste für großes Geld Dirk Gieselmann über einen kapitalismuskritischen Linienrichter

62 Pfund, rund 75 Euro – wie viel Geld das ist, dafür ist manch hochbezahltem Profi längst die Vorstellungskraft abhanden gekommen. Vielleicht so viel, wie ihm an einem normalen Wochentag versehentlich aus dem Krokodillederportemonnaie rutscht?

62 Pfund, rund 75 Euro – wie viel Geld das ist, dafür ist manch hochbezahltem Profi längst die Vorstellungskraft abhanden gekommen. Vielleicht so viel, wie ihm an einem normalen Wochentag versehentlich aus dem Krokodillederportemonnaie rutscht? Der Preis für ein Glas Champagner in der Neureichendisko? Sein Wochengehalt, geteilt durch 1000?

Dem Linienrichter John Brooks reichen solch grobe Schätzungen nicht. Er ist schon von Amts wegen auf Genauigkeit bedacht. Und darauf, dass aus genauen Feststellungen ebenso genaue Entscheidungen abgeleitet werden. Und so scheute Brooks, der gerade seine erste Premier-League-Saison bestreitet, auch vor Joleon Lescott nicht zurück, dem Abwehrhünen von Manchester City, als es galt, ihm zu vermitteln, wie viel Geld 62 Pfund seien. Und was daraus zu folgen habe.

Nach dem Schlusspfiff des Spiels gegen Arsenal London, Lescott wollte ihm bloß die Hand schütteln, belehrte Brooks ihn eisernen Blickes: „Eure Fans haben 62 Pfund für die Eintrittskarte bezahlt. Jetzt geh’ gefälligst zu ihnen und bedank’ dich!“ Lescott tat, wie ihm befohlen, und Brooks wurde zum Helden der vom Ticketwucher gebeutelten Anhänger. Nun möchte man die Geschichte gern fortspinnen: Dieser Mann kann nur ein großer Schiedsrichter werden, ein Wächter des ehrlichen Fußballs. Doch der englische Verband hat offenbar keine Lust auf solche Lebensläufe. Er zog Brooks aus den Ansetzungen für die kommenden Partien zurück.

Vielleicht liegt es daran, dass die Funktionäre selbst an der Preisschraube drehen. Vielleicht daran, dass hinter den lederverkleideten Türen auch niemand mehr weiß, wie viel Geld 62 Pfund sind.

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