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STEILPASS Fans: Platte Reifen

Dirk Gieselmann über Robin Dutts Mountainbike-Interview.

Ich saß auch mal wütend auf einem Mountainbike, 1993 war das. Ich hatte mir dieses futuristische Fahrrad für 500 Mark von meinem Konfirmationsgeld gekauft. Doch schon am zweiten Tag zerstachen Rowdys, während ich arglos im Erdkundeunterricht saß, auf dem Schulhof unerkannt die Reifen, montierten die Klingel, die Gangschaltung und den Trinkflaschenhalter ab und nahmen sie mit. Letzterer war mir besonders wichtig gewesen, war er doch das Symbol für meine Zukunft des Fahrradfahrens: Auf dem vier Kilometer langen Schulweg würde ich nicht verdursten, selbst wenn sich das Wohngebiet, durch das ich täglich fuhr, plötzlich zum Gebirge aufgetürmt hätte. Wenn nötig, könnte ich sogar noch Andrea aus der 8b aus den Fängen eines Grizzlys befreien. Heute weiß ich, wie bescheuert ein Mountainbike im Flachland aussieht. 1993 aber war ich irre stolz, eines zu besitzen. Und wütend, als ich es wie ein halbtotes Kalb nach Hause schieben musste. So wütend wie 20 Jahre später Werder-Trainer Robin Dutt, als er, auf einem Mountainbike sitzend, die Pokalniederlage gegen Saarbrücken zu erklären hatte. Auch seine Gangschaltung schien abmontiert worden zu sein, von unerkannten Rowdys. Arnautovic vielleicht? Nun saß er auf diesem Fahrrad, mit dem er doch in die Zukunft preschen wollte, wenigstens zum Straftraining, blockiert von lähmenden Fragen nach dem beschissenen Gestern. Es dürfte das einzige Mountainbike-Interview in der Geschichte der Bundesliga gewesen sein. Und das, das mich am meisten daran erinnert hat, dass die Zukunft die dumme Angewohnheit hat, meistens anders zu sein, als man sie sich wünscht.

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