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STEILPASS Inland: Hauptsache, gut aussehen

Stefan Hermanns bedauert das Verschwinden des Charlottenburgers

Neulich beim Bier warf mein Freund Peter die Frage auf, warum Männer eigentlich beim Urinieren immer ins Pissoir spuckten. Eine schlüssige Erklärung haben wir dafür nicht gefunden, aber wo wir schon mal beim Thema Körperausscheidungen waren, haben wir gleich noch ein weiteres unappetitliches Phänomen abgehandelt: den sogenannten Charlottenburger. Es handelt sich dabei um eine Methode, ohne Hilfsmittel (etwa ein Taschentuch) die Nase vom Rotz zu befreien, indem man sich ein Nasenloch zuhält und aus dem anderen den Schleim herauspresst.

Auf Fußballplätzen war dieses Phänomen früher auffallend häufig zu beobachten, was insofern logisch ist, als Fußballer in den seltensten Fällen ein gebügeltes Taschentuch mit Monogramm in ihrem Stutzen mitführen. Umso erstaunlicher ist es, dass man heutzutage kaum noch einen Spieler sieht, der sich dieses Mittels bedient. Aus ästhetischen Gründen ist das nur zu begrüßen, andererseits fragt man sich natürlich, warum der Charlottenburger nahezu verschwunden ist. Vermutlich liegt es daran, dass es beim Fußball immer mehr aufs Äußerliche ankommt, auf die schöne, glatte Oberfläche. Ich glaube ja, dass die heutigen Profis zwischen Warmmachen und Anpfiff nicht etwa den letzten Anweisungen ihres Trainers lauschen, sondern in der Kabine mit Gel, Kamm und Bürste vor dem Spiegel stehen, um noch einmal ihre Frisur zu richten. Hauptsache, gut aussehen, alles andere ist sekundär.

Ach, du kleiner, ekliger Charlottenburger, wer hätte das gedacht, dass man dich mal vermissen würde. Na ja, nur ein ganz kleines bisschen natürlich.

Stefan Hermanns schreibt an dieser Stelle über deutschen Fußball. Markus Hesselmann beschäftigt sich in seiner Kolumne mit dem Ausland, Jens Kirschneck mit Frauenfußball.

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