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Sport: Sterne des Winters

Auf dem Weg zu den Spielen von Turin im Februar 2006: Wer sind die deutschen Stars dieser olympischen Saison?

Muss man sich Sorgen machen? Ausgerechnet vor diesem olympischen Winter haben sich zahlreiche verdiente deutsche Wintersportler in den Ruhestand verabschiedet: der Skispringer Sven Hannawald, der Bobfahrer Christoph Langen, die Eisschnellläuferin Gunda Niemann-Stirnemann. Allesamt mehrfache Olympiasieger. Und nun muss man sogar um den eigentlich unverwüstlichen Georg Hackl bangen, weil der 39-Jährige nach einer Bandscheibenoperation seinen Schlitten nicht schnell genug in die Eisbahn paddeln kann. Wer soll eigentlich vom 10. bis 26. Februar 2006 bei den XX. Olympischen Winterspielen in Turin die Medaillen gewinnen und das deutsche Team wieder auf Platz eins im Medaillenspiegel führen? Der Tagesspiegel hat einige deutsche Stars des kommenden Winters gesucht – und gefunden.

* * *

Anni Friesinger (Eisschnelllauf): Viele Schlagzeilen, das lässt sich bereits jetzt sagen, werden im kommenden Winter jener Frau gehören, die eine Boulevardzeitung nur „Sexyanni“ nennt. „Sexyanni“ heißt vollständig Anna Christine Friesinger und ist trotz einiger Badeanzug-Fotos auf ihrer Homepage keine Schwimmerin – sondern Eisschnellläuferin. Als solche bekommt sie in diesem olympischen Winter letztmalig die Chance, ihrer Goldmedaille von Salt Lake City weitere hinzuzufügen. In zweieinhalb Jahren, das hat die 28-Jährige unlängst bekannt gegeben, möchte sie ihre Karriere beenden und mit ihrem Lebensgefährten Ids Postma eine Familie gründen. Ihre aktuelle Form ist beeindruckend, wie die Allroundweltmeisterin durch ihren spektakulären Weltrekord über 1500 Meter bei einem Testrennen in Calgary unter Beweis gestellt hat. Welche Strecken sie in Turin laufen wird, steht noch nicht fest. „Alles was Gold bringt, ist meine Lieblingsstrecke“, sagt sie. Der Teamwettbewerb, der bei den Spielen neu im Programm ist, dürfte auf jeden Fall dazu gehören. In dieser Disziplin winkt ihr mit ihrer Dauerrivalin Claudia Pechstein eine fast sichere Medaille. Und neue Schlagzeilen.

Weltcupstart: An diesem Wochenende in Calgary.

Ronny Ackermann (Nordische Kombination) : Er könnte die männliche Hauptfigur des Winters werden. Allerdings sollte Ronny Ackermann dafür seine Erfolge aus der vergangenen Saison wieder erreichen, was schwer genug sein wird. Bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf hatte der Thüringer in der Nordischen Kombination bei drei Auftritten zwei Gold- und eine Silbermedaille gesammelt. Eine Wiederholung dieser Leistung erscheint momentan noch unwahrscheinlich. „Ich möchte in Turin aus drei Wettbewerben eine Medaille holen“, sagt Ronny Ackermann. Seine Zurückhaltung hat Gründe. Ein zweifacher Bänderriss hat ihn im Sommer zurückgeworfen, zuletzt suchte der 28-Jährige verzweifelt nach einem passenden Sprungschuh. Dieser ist beim Skispringen ein bedeutsames Detail, der Athlet muss bei dem Verbindungsstück zum Sprungski ein sehr gutes Gefühl haben, da auch der kleinste Druck mit dem Fuß in der Luft große Wirkung erzielt. „Ich habe noch jede Menge Probleme“, sagte Ackermann vor kurzem dem „Sportinformationsdienst“, „ich bin froh um jeden Tag, den die Saison später beginnt.“ Zwei Wochen hat er noch Zeit.

Weltcupbeginn: 27. November in Kuusamo/Finnland.

Martina Ertl-Renz (Ski alpin): Die 32–Jährige aus Lenggries hat in dieser Saison bereits etwas Besonderes vollbracht: Als erste Sportlerin des Deutschen Skiverbandes hat sie sich für die Spiele in Turin qualifiziert. Platz acht beim ersten Riesenslalom der Saison in Sölden sicherte ihr die erste Startberechtigung für die Olympischen Spiele in Turin. „Nochmal eine Olympia-Medaille, das wäre natürlich ein Traum“, sagt Martina Ertl-Renz, die im Sommer geheiratet hat. Als sie noch ohne Doppelnamen antrat, ist sie bei Olympischen Spielen zweimal zu Silber und einmal zu Bronze gerauscht. Eine weitere Medaille in Turin wäre der verdiente Lohn für eine lange und erfolgreiche Karriere. Gleichzeitig wäre es ihr letzter großer Erfolg, denn nach dieser Saison wird sie sich mit Hilde Gerg den Kollegen Hannawald, Langen und Niemann-Stirnemann anschließen. Und zurücktreten.

Nächster Weltcuptermin: 29. November in Lake Louise/Kanada.

Axel Teichmann (Langlauf) : Der Mann mit dem Ziegenbart hat als bisher beste Leistung bei Olympischen Spielen einen 14. Platz vorzuweisen – doch das dürfte sich ändern. „Axel Teichmann läuft im Distanzbereich in einer eigenen Liga und ist unsere größte Hoffnung für Olympia“, sagt Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle. Eigentlich hätte Teichmann schon im vergangenen Jahr mehr Ruhm ernten sollen, doch eine starke Erkältung hat bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf ganz Großes verhindert. Trotzdem reichte es im Teamsprint und in der Staffel zu Silbermedaillen. Auch sein erster Platz im Gesamtweltcup kann sich sehen lassen. Der 26-Jährige hat vielleicht sogar aus einer unangenehmen Erfahrung in der letzten Saison gelernt: Diesmal hat Axel Teichmann seine jährliche Erkältung gleich zu Saisonanfang bekommen und beim Sprintweltcup in Düsseldorf vorsichtshalber ausgesetzt. Vielleicht ist dies das richtige Rezept, um diesmal im Februar von gesundheitlichen Unannehmlichkeiten verschont zu bleiben.

Nächster Weltcuptermin: 19. November in Beitostoelen/Norwegen.

Sylke Otto (Rodeln): Ein deutscher Olympiasieg in Turin steht eigentlich jetzt schon fest: Im Rodeln der Frauen. Seit acht Jahren hat kein anderes Land einen Weltcup gewonnen. Spannender ist vielmehr die Frage, welche der deutschen Rodlerinnen sich die Goldmedaille umhängen wird: Sylke Otto, Silke Kraushaar oder Barbara Niedernhuber. Beim ersten Weltcup in Sigulda siegte Kraushaar vor Otto, die Weltcupsiegerin Niedernhuber enttäuschte mit Rang 17. Doch bis Turin dürfte sich an der Reihenfolge der drei deutschen Damen noch öfters etwas ändern. Für die 36 Jahre alte Sylke Otto aus Oberwiesenthal spricht, dass sie bereits vor vier Jahren in Salt Lake City zu Olympiagold gerodelt ist. Allerdings muss sie sich im eigenen Lager auch noch gegen Tatjana Hüfner und Anke Wischnewski behaupten. Nur drei Frauen werden letztlich in Italien starten dürfen. Nach einer Bandscheiben-Operation im Juni schienen die Voraussetzungen für Otto zunächst ungünstig, ihr Olympiagold zu wiederholen. Doch nach Platz zwei zu Saisonbeginn in Lettland sagt sie: „Nach meiner Operation bin ich mit diesem Saisoneinstand hoch zufrieden.“ Als bisher einzige Rodlerin konnte Steffi Walter-Martin 1984 und 1988 ihren Olympiasieg wiederholen. Sylke Otto könnte nun gleichziehen.

Nächster Weltcuptermin: 19. November in Turin.

Uschi Disl (Biathlon): Sie kann es doch noch nicht lassen. 34 Jahre war Uschi Disl alt, als sie am 5. März 2005 bei den Weltmeisterschaften in Hochfilzen am Schießstand „einfach das Gehirn ausschaltete“ und den Titel im Sprint gewann, den ersten WM-Einzeltitel bei der 15. WM-Teilnahme. Am nächsten Tag trieb die Euphorie die laufstarke, aber beim Schießen oft zittrige Disl auch noch zu Gold im Verfolgungsrennen. Es hätte das glanzvolle Ende einer großen Karriere sein können. Die Biathletin aus Oberbayern wollte sich an den Tagen von Tirol nicht festlegen, ob sie bis zu den Olympischen Spielen in Turin weitermachen würde. Statt mit Waffe auf dem Rücken sah sie sich auch mit Baby auf dem Arm. Doch so weit ist es doch noch nicht. Uschi Disl quält sich weiter durch die Loipen und wird in Turin ihre fünften Olympischen Spiele bestreiten. Gemeinsam mit Kati Wilhelm, Ricco Groß und Vizeweltmeister Sven Fischer gehört sie zu den deutschen Medaillenkandidaten. Zweimal war sie Olympiasiegerin mit der Staffel, zweimal gewann sie Silber im Sprint. Doch eine Medaille fehlt ihr noch: Gold in einem Einzelrennen.

Weltcupstart: 23. November in Östersund/Schweden.

André Lange (Bob): Nach dem ärztlich verordneten Rücktritt von Christoph Langen ist Vierer-Olympiasieger und -Weltmeister André Lange aus Oberhof die einzige Goldhoffnung im Männerbob geblieben. Dass er diese zu Recht trägt, hat er bereits beim ersten Weltcup in Calgary bewiesen: Mit Bahnrekord im zweiten Lauf hat André Lange im Zweierbob mit seinem Anschieber Kevin Kuske das erste Rennen der Olympiasaison gewonnen. Kein Wunder, dass sich gleich fünf Männer darum streiten, in Turin im Viererbob hinter ihm sitzen zu dürfen: René Hoppe, Thomas Pöge, Kevin Kuske, Udo Lehmann und Martin Putze. Die Stärken des Routiniers sind die Startphase und der Anschub auf den ersten 50 Metern sowie das Halten einer sauberen Fahrlinie. Seit der letzten Saison darf sich der 31-Jährige über eine besondere Leistung freuen: Er ist der erste Bobpilot seit 1924, der den WM-Titel im Viererbob dreimal hintereinander gewonnen hat.

Weltcupstart: An diesem Wochenende in Calgary.

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