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Gültig oder ungültig? Im Fall Markus Rehm wurde diese Frage erst nach dem Wettkampf entschieden. In Zukunft soll das früher passieren.

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Streit um behinderte Sportler: Vom Einzelfall Markus Rehm zum Grundsatz für alle

Der Deutsche Leichtathletik-Verband will weitere Streitigkeiten um behinderte Sportler künftig ausschließen und strebt nach dem Fall Markus Rehm eine "grundsätzliche Klärung" an.

Nach der hitzigen Diskussion der vergangenen Tage will der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) jeglichen weiteren Unklarheiten vorbeugen. Es soll nicht noch einmal eine ähnliche Verwirrung geben wie jene um Markus Rehm. Der unterschenkelamputierte Weitspringer war am vergangenen Wochenende Deutscher Meister geworden und hatte die EM-Norm erfüllt, wurde am Mittwoch aber nach einer Untersuchung seiner Prothese vom DLV nicht für die Europameisterschaft in Zürich nominiert. DLV-Präsident Clemens Prokop kündigte zeitnahe Gespräche mit dem Weltverband IAAF an. „Wir werden eine grundsätzliche Klärung mit allem Nachdruck einfordern. Das kommt jetzt auf den Tisch, damit wir bis zum nächsten Kongress vor der WM 2015 in Peking Lösungen haben“, sagte Prokop.

Eine grundsätzliche Regelung würde bedeuten, dass Einzelfall-Untersuchungen wie jene im Fall Rehm der Vergangenheit angehören. IAAF-Council-Mitglied Helmut Digel ist allerdings der Meinung, der DLV habe die Debatte um Rehm bereits im Vorfeld vermeiden können. „Der DLV hätte einen Antrag auf Änderung der Regel 144 stellen können, dass Behinderte und Nichtbehinderte nicht gemeinsam gewertet werden können“, sagte Digel. „Aber man hat gemeint, es sei falsch, wenn man als deutscher Fall vorpreschen würde.“ Der fertige Entwurf sei nicht vorgebracht worden. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der DLV mit der Regeländerung unbeliebt gemacht hätte und deshalb vor ihr zurückschreckte. Digel, der auch Ehrenpräsident des DLV ist, betont allerdings die „Maxime des Fairplays“ für Regelwächter: „Funktionäre müssen nicht jedermanns Darling sein.“

Andere Verbände haben ihr Regelwerk angepasst

Bislang hält sich der DLV allein an die IAAF-Vorgabe, die den „Gebrauch von Technologien oder Geräten, die dem Nutzer einen Vorteil gewähren, den er bei regelgerechter Ausrüstung nicht hätte“, verbietet. „Diese Regel ist höchst unglücklich“, sagte Prokop. Die Frage eines Vorteils sei „schwierig zu beantworten“. Wichtiger sei es, ob die Leistungen Behinderter und Nichtbehinderter Athleten vergleichbar sind. Laut Expertenmeinung und nach Untersuchung der mechanischen Abläufe beim Absprung sind sie es im Fall Markus Rehm nicht.

Andere Verbände haben ihr Regelwerk angepasst, um Streitfälle zu vermeiden. In einem nationalen Zusatz zu IAAF-Regel 144 formuliert beispielsweise der Schweizer Leichtathletik-Verband: „Sind solche Technologien oder Geräte für Behinderte notwendig, um den Sport ausüben zu können, kann ihnen eine Teilnahme an nationalen Wettkämpfen außer Wertung erlaubt werden.“ In der Schweiz hätte Rehm also auf keinen Fall Meister der Nichtbehinderten werden können. Vom DLV wird er zunächst weiterhin als Deutscher Meister geführt, über eine mögliche Aberkennung seines Titels muss der Bundesausschuss Wettkampforganisation befinden.

Den EM-Start hat Markus Rehm endgültig abgeschrieben

Den Start bei der EM hat Rehm endgültig abgeschrieben. „Ich werde keine juristischen Schritte einleiten“, sagte der 25-Jährige am Donnerstag. „Aber ich werde alle Möglichkeiten nutzen, um nachzuweisen, dass ich mir keinen Vorteil verschafft habe.“ Auch Prokop kündigte an, es werde weitere Untersuchungen von Rehms Prothese und seinem Sprungablauf geben.

Allerdings sagte Prokop, derartige Gutachten seien wegen des technischen Fortschritts nur „Momentaufnahmen“. Prokop möchte auch, dass sich der Deutsche Behindertensportverband (DBS) an den Kosten von mehreren zehntausend Euro für eine Expertise beteiligt. Eigentlich hatte der DLV selbst frühzeitig eine solche umfassende Untersuchung angestrebt, verzichtete wegen der Kosten aber auf das Gutachten.

Reinhard Sogl

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