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Sport: Stunde der Lobbyisten

Wie der Gastgeber der WM 2010 gewählt wird

Zürich - Es ist wie immer im World Trade Center von Zürich am Nachmittag vor der entscheidenden Nacht. An allen Ecken und kreuz und quer im Mediensaal diskutieren Reporter ein letztes Mal, wer von den 24 Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees für den ursprünglichen Favoriten Südafrika stimmt oder das XIX. WM-Turnier 2010 in Marokko sehen will. Die letzte Kür der insgesamt vier Kandidaten – Tunesien hat seine Bewerbung gestern nun doch zurückgezogen –, die auf Fernsehschirmen ins Pressezentrum übertragen wird, interessiert allenfalls die journalistischen Begleiter aus den Bewerber-Ländern. Nur wenn die Kameras auf das Gesicht Nelson Mandelas zoomen, wird es für Augenblicke ruhiger. Man wird den 85-Jährigen, der tapfer gegen Krebs kämpft, nicht mehr oft live erleben können. Der Friedensnobelpreisträger und Vater des demokratischen Staats am Kap hat selbst gesagt, dass die Reise in die Schweiz wohl sein letzter Dienst für sein Heimatland sei.

Es wird, so sagen alle Experten, ein enges Votum. Es könnte sogar sein, dass die Stimme des Präsidenten doppelt zählt, falls es in Sepp Blatters Parlament 12:12 steht. Bis vor ein paar Monaten hatte das Schweizer Oberhaupt der Fifa-Familie noch stolz auf seine Neutralität verwiesen; er werde sich aus dieser Angelegenheit unter afrikanischen Brüdern heraushalten. Inzwischen ist der 68-Jährige wohl umgefallen, fühlt sich von den südafrikanischen Sportsfreunden in die Pflicht genommen, als deren Spielführer er 2000 unglücklich gegen Beckenbauers Deutschland-Fraktion verloren hatte.

Inklusive Blatter dürfen neun Europäer wählen. Dieses Stimmpaket hat früher praktisch den Veranstalter bestimmt. Man brauchte für die Mehrheit lediglich drei, vier weitere Wahlmänner oder die kompakte Unterstützung einer anderen Konföderation – vor vier Jahren wurden die vier Vertreter des asiatischen Verbands ins deutsche Lager geholt.

Diesmal aber ist der Europa-Block gespalten: Blatter, Uefa-Chef Johansson, Mayer-Vorfelder, der Engländer Will stehen bei den Funktionären vom Kap im Wort; der Russe Koloskow folgt Blatter blind. Dies gilt auch für Doktor D’Hooghe aus Brüssel und Senes Erzik aus Istanbul. Der Türke ist Moslem und wurde von seinen Glaubensbrüdern bearbeitet. Geradezu als Fahnenträger der marokkanischen Sache führen sich Michel Platini und der Spanier Villar Llona auf. Es wird spannend.

Martin Hägele

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