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Abgetanzt. Die Südafrikaner erlösten

© dpa

Sport: Südafrika, wie es singt und lacht

Tief unten im WM-Stadion sieht’s aus wie im Heizungskeller. Die Treppe hinab ist schmal, die Wand nicht verputzt, an der Decke flirren Neonröhren.

Tief unten im WM-Stadion sieht’s aus wie im Heizungskeller. Die Treppe hinab ist schmal, die Wand nicht verputzt, an der Decke flirren Neonröhren. Hallo, ist da wer? Ja, Carlos Alberto Parreira, 67. Der hat es sich hinter einer kleinen Tür auf einem Lederstuhl bequem gemacht und öffnet die weiße Trainingsjacke. Südafrikas Trainer lächelt. Schön warm hier unten, wenigstens das.

Eine Etage über ihm hüpfen die Fans in den gelben Trikots beglückt durch die kalte Nacht von Johannesburg und husten ein letztes Mal in ihre Vuvuzelas, die Lippen schmerzen schon. Sie hatten ja auch Erfreuliches gesehen an diesem Freitagabend im WM-Eröffnungsspiel: Ein 1:1 gegen Mexiko, ein fulminantes Tor, ein Team, das sich nach einer ängstlichen ersten Halbzeit ins Spiel gebissen und ihr Volk, an diesem Abend vielleicht sogar den Kontinent, nicht enttäuscht hat. Der Druck auf die Männer war extrem groß, sie treten ja nicht jedes Wochenende vor 85 000 Fans und Millionen vor dem Fernseher gegen den Ball. Doch jetzt sitzen sie nebenan in ihrer Kabine und johlen, denn, so Parreira, „they love to sing“. Die Versagensängste waren weggeblasen, da ist eine ausgelassene Herrengesangsrunde mehr als angemessen.

Man musste ja nur einmal die Zeitungshändler an den rumpeligen Straßenecken beobachten, die an den Ampeln ihre Titelseiten an die Autoscheiben drücken. „Make us proud!“, stand da überall in fetten Buchstaben. Macht uns stolz! Als die Fußballer in Johannesburg ihr Quartier bezogen, wurden sie sogar mal eben von 100 000 Fans empfangen. Absurde Szenen waren das, vor allem weil der Außenseiter plötzlich saucool im offenen Bus durch die Straßen gerollt ist. Parreira war dieser Hype zu viel: „Ich habe so etwas noch nicht gesehen in meinem Leben, vor so einem wichtigen Spiel können wir das nicht gebrauchen.“

Der Mann kennt das Geschäft gut, vielleicht sogar besser als jeder andere. Denn für den Brasilianer ist es die sechste Weltmeisterschaft als Trainer einer Nationalelf, er hatte zuvor schon Kuwait, die Arabischen Emirate und auch Saudi Arabien durch die WM geführt – auch nicht gerade die Großen des Weltfußballs. Mit Angst oder Arroganz kommt Südafrika nicht weit, mit ein bisschen Demut schon eher. Und deshalb betätigt Parreira nach Abpfiff auch gleich den Druck-Dimmer im Stadionkeller von Johannesburg: Was immer auch gegen Uruguay im nächsten Spiel passiere, „entscheidend wird das letzte Spiel gegen Frankreich“. Hört sich so an, als wolle da einer die ausgeflippten Südafrikaner erst mal wieder erden.

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