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Lisicki

© AFP

Tennis: Aus zwölf mach eins

Neuerliche Blamage: Sabine Lisicki hat bei den French Open als einzige Deutsche die zweite Runde erreicht.

Obwohl es ein wenig aufgesetzt wirkt, kichert Sabine Lisicki, wie es Teenager eben tun, und sagt: „Ich habe mich sofort in dieses Turnier verliebt.“ Gleich an ihrem ersten Tag in Paris habe sie auf dem großen Court Philippe Chatrier trainieren dürfen, erzählt die blonde 18-Jährige strahlend, und da sei es eben um sie geschehen gewesen. „Ich finde einfach alles toll hier“, sprudelte es nach dem 3:6, 6:4, 6:0-Erfolg über die Russin Jelena Wesnina aus Lisicki heraus. Mit dieser unverblümten Liebesbekundung an die French Open steht sie unter ihren Landsleuten allerdings alleine da. „Ich bin froh, wenn ich hier weg bin“, hatte Michael Berrer nach seiner Niederlage gegen Marcel Granollers (Spanien) gestöhnt. Er sprach damit stellvertretend für die meisten der acht Herren und drei Damen, die beim wichtigsten Sandplatzturnier der Welt in der ersten Runde scheiterten. Auch Benjamin Becker und Daniel Brands vermochten am Mittwoch nicht mehr, die erneut schwache Bilanz der deutschen Profis aufzupolieren. Becker verlor gegen den an 15 gesetzten Russen Michail Juschni 1:6, 3:6, 6:7(4:7) und der Qualifikant Brands musste sich Juschnis Landsmann Dmitri Tursunow 2:6, 4:6, 5:7 geschlagen geben. Damit sind alle Männer in der ersten Runde ausgeschieden, Lisicki ist die letzte Deutsche im Feld.

Michael Stich hatte es 1996 als letzter ins Pariser Endspiel geschafft, Nicolas Kiefer stand 2005 zumindest noch im Achtelfinale. Bei den Damen wird die Statistik durch die sechs Titel von Steffi Graf deutlich verbessert, dennoch ist die Gesamtbilanz der deutschen Profis bei keinem Grand-Slam-Turnier schlechter als bei den French Open. Philipp Kohlschreiber ging nach seiner Auftaktniederlage gegen den Schweizer Stanislas Wawrinka in die Offensive: „Wir haben einfach keine Boris-Becker-Zeiten mehr. Tut mir leid, aber jetzt muss man eben mit uns Vorlieb nehmen. Und wir bemühen uns wirklich, damit es besser wird.“ Aber diese Mühe wird auch der deutschen Nummer eins erschwert, obwohl Kohlschreiber sich auf der roten Asche noch mit am wohlsten fühlt. Das Hauptproblem sei eben, dass sie auf Hallenböden groß würden, ihre Technik seit frühester Jugend an die schnellen Beläge angepasst werde, sagen die deutschen Spieler. Sand liege ihnen einfach nicht. Diesen Rückstand könnten sie nicht kompensieren.

Vielen fehlt allerdings auch der nötige Wille, den man für ein erfolgreiches Spiel auf Sand benötigt. Mit der Gewissheit auf den Platz zu gehen, dass man sich über mitunter fünf Stunden hinweg quälen, um jeden Zentimeter kämpfen muss und nie aufstecken darf – diese Veranlagung ist bei vielen nur sehr selten zu sehen. Lisicki ist da die große Ausnahme. Die in Troisdorf geborene Berlinerin strotzt geradezu vor Selbstvertrauen. Es scheint nichts zu geben, das sie sich nicht zutraut. Diese Philosophie bekam Lisicki in der harten Ausbildung bei Tennis-Guru Nick Bollettieri in Florida mit und hat sie längst verinnerlicht. Dass sie die Nummer eins der Welt werden wolle, hatte Lisicki schon kess bei den Australian Open in Melbourne verkündet. Dort schaffte sie es, ebenfalls als einzige deutsche Dame, durch die Qualifikation bis in die dritte Runde. Damals trat sie noch als Nummer 194 der Welt an, nun steht sie bereits auf Position 83. „Ich bin eine Kämpferin und ich weiß, dass ich gut spiele“, sagte Lisicki.

Dabei hatte es lange Zeit nicht danach ausgesehen, als würde ihr erster Auftritt beim zweiten Grand-Slam-Turnier ihrer jungen Karriere ein gutes Ende nehmen. Den ersten Satz hatte Lisicki verloren, im zweiten stand es 4:4, als der Regen einsetzte. Was in dieser Pause denn passiert sei, wurde sie später gefragt, nachdem sie bei der Rückkehr auf dem Platz acht Spiele in Folge gewann. „Ich habe nur etwas gegessen“, sagte Lisicki kichernd, fügte dann aber ernst hinzu: „Ich wusste schon vor der Pause, dass ich gewinnen werde.“ Nicht die Russin habe in der Schlussphase Fehler gemacht, stellte sie klar, vielmehr habe sie Wesnina mit ihrem aggressiven Spiel dazu gezwungen. „In dieser Form habe ich sehr gute Chancen, die nächste Runde auch zu gewinnen“, sagte Lisicki. Dort wartet die an Nummer zwölf gesetzte Ungarin Agnes Szavay. Doch große Namen flößten Lisicki noch nie Angst ein, daher blickt sie weiter nach vorne: „Ich will hier in die zweite Woche kommen, das habe ich in Melbourne knapp verpasst.“ Ihr Aufschlag ist ungewöhnlich hart, sie ist eine zähe Kämpferin, mit ausgeprägtem Ehrgeiz und von ihren eigenen Qualitäten überzeugt. Vielleicht wird das in Paris zum deutschen Erfolgsrezept.

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