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Tennis-WM: Federer auf den Fersen

Junge Spieler dominierten das Tennis-Saisonfinale – es wird jetzt eng an der Spitze der Weltrangliste der Männer.

Vielleicht lag es an der mitternächtlichen Uhrzeit, dass die Aufregung mit einem Tennis-Journalisten etwas durchgegangen ist. Weil es weder die Nummer eins noch die Nummer zwei der aktuellen Weltrangliste ins Halbfinale des Masters Cup in Schanghai geschafft haben, fragte er Roger Federer: „Würden Sie sagen, dass dies die stärkste Top Ten seit vielen Jahren ist?“ Der langjährige Weltranglistenerste, der eine halbe Stunde zuvor erstmals beim Saisonfinale nicht über die Vorrunde hinausgekommen war, wirkte genervt. „Das würde ich nicht sagen“, antwortete Federer, „erinnern Sie sich an Andre Agassi und Pete Sampras? Die waren auch nicht schlecht.“

Roger Federer tut ganz gut daran, die Aufregung um die neuen, jungen Gesichter im Männertennis etwas zu bremsen. Schließlich fehlte in Schanghai verletzungsbedingt Rafael Nadal, der beste Spieler dieser Saison. Zudem kämpfte Federer mit einer Rückenverletzung. Trotzdem hat das Turnier in China auch die Veränderungen zementiert, die das Männertennis in diesem Jahr durchgemacht hat. So gelangten mit Gilles Simon und Andy Murray gleich zwei Debütanten ins Halbfinale des mit 4,55 Millionen Dollar dotierten Turniers. Erst dort setzten sich die Routiniers durch. Novak Djokovic schlug Gilles Simon 4:6, 6:3, 7:5, Nikolai Dawidenko bezwang Andy Murray 7:5, 6:2.

Roger Federer bekam den Aufstieg der jungen Spieler mit zwei Niederlagen persönlich zu spüren. „Es ist gegenwärtig ein aufregender Augenblick im Tennis“, sagte er. In Andy Murray, Gilles Simon, Juan Martin del Potro und Jo-Wilfried Tsonga nahmen gleich vier Tennisprofis erstmals beim Masters in Schanghai teil. Sie alle gewannen wenigstens ein Match, der für Nadal nachgerückte Simon und Murray warfen sogar Roger Federer aus dem Turnier. Simon wird nach dieser Woche in der Weltrangliste auf Rang sieben geführt werden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich am Ende des Jahres auf so einem hohen Rang landen werde“, sagte der Franzose. Überraschend war auch Juan Martin del Potro in der zweiten Jahreshälfte von Rang 63 auf Platz acht hochgeschossen. „Ich weiß auch nicht, was im Sommer passiert ist“, sagte der 20-jährige Argentinier, „ich habe einfach viele Matches gewonnen.“ Auf ihn wartet noch ein weiterer Höhepunkt: Das Daviscupfinale am kommenden Wochenende gegen Spanien. „Die letzten beiden Matches in diesem Jahr sind vielleicht die wichtigsten“, sagte der Argentinier. Federer bezweifelt, dass del Potro die Form der zweiten Saisonhälfte auch im nächsten Jahr fortsetzen kann. „Er musste unglaublich kämpfen, ist viele Meilen geflogen“, sagte Roger Federer, „irgendwann bist du kaputt.“

Im Mittelpunkt der kommenden Saison wird wohl wieder das Duell zwischen Nadal und Federer stehen, doch die übrigen Spieler sind näher an beide herangerückt. „Das Männertennis ist in den letzten Jahren stärker geworden“, sagte auch Andy Murray. Das unterstreicht die Entwicklung der Anzahl von Roger Federers Niederlagen pro Jahr: 4 (2005), 5 (2006), 9 (2007) und 15 (2008). Als Zeichen, dass der Schweizer schwächer wird, will Andy Murray das nicht werten. „Rafael Nadal hatte eines der besten Tennisjahre in den letzten 20 Jahren, und Federer liegt in der Weltrangliste trotzdem nicht weit hinter ihm“, sagte der Schotte.

Doch auch der 21-Jährige hatte ein gutes Jahr, als vierter der Weltrangliste hat er sich als stärkster unter den jungen Spielern etabliert. Ob sich zwischen ihm und Federer eine ähnliche Rivalität entwickeln werde wie zwischen Federer und Nadal, fragte ein Journalist. „Hmm“, sagte Roger Federer, „das wird schwierig.“ Auch diese Frage kommt noch zu früh.

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