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Sport: Terror nach dem Friedensmarsch

Italienische Hooligans erzwingen den Abbruch des Fußballderbys zwischen AS Rom und Lazio

Von Martin Hiller

und Paul Kreiner

Rom. Am Samstag der riesige Friedensmarsch, am Sonntag die nackte Gewalt: Rom hat ein sehr wechselvolles Wochenende hinter sich. Am Montagmittag waren die Aufräumarbeiten zwischen Olympiastadion und Außenministerium noch im Gang, und in den Krankenhäusern lagen noch etliche der 176 Verletzten. Es gab 13 Festnahmen.

Im Grunde war es ein italienischer Fußballabend, wie ihn sich mancher vorstellt: Erst wusste keiner, was los ist, dann wurde ausgiebig diskutiert, und schließlich ging gar nichts mehr. Ganz so lustig war es allerdings nicht, was am Sonntagabend im Olympiastadion von Rom ablief. Das Derby zwischen dem AS Rom, der Roma und Lazio musste in der 49. Minute beim Stande von 0:0 auf Druck der Fans abgebrochen werden. Die Polizei ist sich sicher: Der Ausbruch der Gewalt, das war ein abgekartetes Spiel. Die eigentlich verfeindeten Ultras von Roma und Lazio wollten „das Lokalderby in die Luft jagen“. Und zum Entsetzen aller Kommentatoren ist es ihnen gelungen: „Francesco Totti kapituliert vor der Südkurve“, lauten die beschämenden Schlagzeilen, und Romas Kapitän verteidigt sich: „Hätten wir nicht abgebrochen, hätte es ein Blutbad gegeben.“

Das Stadtduell beginnt regulär um 20.30 Uhr: Gegen Ende der ersten Halbzeit verbreitet sich unter den Fans via Handy die Nachricht, dass ein jugendlicher Anhänger der Roma auf dem Weg zum Stadion von einem Polizeiwagen angefahren und tödlich verletzt worden sei – totgeschlagen, behaupten manche dreist.

Es sollte ein Gerücht bleiben, der Junge hatte lediglich einen Asthma-Anfall, doch den Tifosi, die sich in Rom traditionell lieber mit der Polizei als mit der Konkurrenz anlegen, ist es gleich. Sie reagieren mit der ihnen eigenen Mischung aus Zorn und Aggressivität. „Assassini, Assassini“ – Mörder, Mörder, skandieren sie zu Beginn der zweiten Halbzeit immer lauter, bis auch die Spieler verstehen, dass etwas passiert sein muss. Schiedsrichter Rosetti unterbricht die Partie.

Ratlos und eingeschüchtert versammeln sich die Spieler um Schiedsrichter Rosetti, schicken Fernsehteams und Journalisten barsch zur Seite, beraten sich. „Wenn das mit dem toten Jungen stimmt und wir weiterspielen, geben wir hier eine Scheiß-Figur ab“, sagte einer, der nicht genannt werden will. Ein anderer: „Wenn wir spielen, bringen die uns um.“ Leuchtraketen fliegen aufs Spielfeld. Vertreter des harten Kerns der Roma-Anhänger dringen in den Innenraum vor und verlangen ein Gespräch mit Romas Kapitän Francesco Totti. Die Forderung der Fans an Totti ist eindeutig. „Ihr müsst sofort aufhören, einer von uns ist tot. Ihr werdet nicht weiterspielen.“ Totti entgegnet: „Vielleicht wäre es noch schlimmer, wenn wir nicht weiterspielen?“ – „Nein, es wird schlimmer, wenn ihr nicht aufhört. Dann stürmen wir das Spielfeld und machen alles platt. Wir haben mit den Lazio-Fans gesprochen, sie sind derselben Meinung.“

Totti verlässt die Fans, um sich mit Lazios Kapitän Sinisa Mihajlovic und Schiedsrichter Rosetti zu besprechen. Die Spieler haben Angst, sie wollen nur raus aus dem Stadion. Schiedsrichter Rosetti telefoniert mit Ligachef Adriano Galliani und bricht das Spiel ab.

Jetzt wird der Innenraum geöffnet, Totti und Mihajlovic bitten die Zuschauer per Durchsage, in Ruhe nach Hause zu gehen. Voller Angst drängen die Zuschauer aus dem Stadion. Draußen haben sich die Extremen zusammengerottet, nicht gegeneinander, wie sonst, sondern gemeinsam gegen die Polizei. Die ist nur auf kleinere Prügeleien eingestellt und wird mit allem traktiert, was das Areal hergibt: mit Steinen, Flaschen, Stöcken. Resultat: 21 Tifosi, aber 155 Polizisten sind danach verletzt. Ein Polizeiauto brennt. Später kündigt der italienische Innenminister Giuseppe Pisanu „schärfste Maßnahmen“ zur Bekämpfung der Gewalt in den Stadien an. Lazios Kapitän Mihajlovic sagt, er habe sich an seine serbische Heimat erinnert gefühlt: „Demnächst werden wir wohl mit schusssicheren Westen ins Stadion kommen.“ Und die Zeitungen rammen die spielverderberischen Fans in Grund und Boden: „Kleine Terroristen“ nennt man sie bereits. Weil sich der Begriff so schön anbietet.

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