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Sport: Teure Tribünen

Warum das Leipziger Zentralstadion mehr kostet als geplant

Leipzig. Michael Kölmel steht mit breiten Beinen in der VIP-Loge des Leipziger Zentralstadions und verschränkt die Arme. Der Medienunternehmer und Bauinvestor will äußerlich unangreifbar wirken, wenn er Sätze sagt wie: „Es geht nicht immer gleich alles gut.“ Kölmel lässt seinen Blick langsam über die geschwungenen Tribünen der neuen Arena schweifen, die er mit vielen Millionen Euro mitfinanziert hat. Und die jetzt ein paar Millionen Euro teurer wird. „In anderen deutschen Städten sind die Kosten richtig explodiert“, sagt Kölmel. Und meint: bei meinem Projekt in Leipzig nicht.

Seit einer Woche steht allerdings fest, dass das Bauwerk teurer wird als geplant. Wie berichtet, streitet sich die Stadt mit dem Betreiber Kölmel darum, wer die Mehrkosten trägt, die Insider auf einen zweistelligen Millionenbetrag schätzen. Bislang wurden für die Arena, die am vergangenen Wochenende mit einem Ligaspiel des drittklassigen FC Sachsen Leipzig eröffnet wurde, 90 Millionen Euro veranschlagt. Mit mehr als 50 Millionen Euro übernimmt der Bund den größten Anteil an der Finanzierung, die Stadt hat zwölf Millionen zugesichert. Den Rest bezahlt Kölmel, der seine Frau offiziell als Eigentümerin der Arena benennt. „Das Stadion war meine Idee für die werdende Metropole Leipzig“, sagt der Unternehmer, der nach Baubeginn und bereits geleisteten Millionenhilfen für den FC Sachsen Leipzig die Insolvenz seines Unternehmens Kinowelt verschmerzen musste.

Für Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee steht der Schuldige an den gestiegenen Baukosten fest: der Fußball-Weltverband Fifa. „Die neuen Auflagen des Verbandes kosten uns Millionen“, sagt Tiefensee auf Nachfrage. Die Arena wird Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sein; fünf Spiele sollen hier stattfinden, darunter ein Achtelfinale. In ihrem überarbeiteten Pflichtenheft verlangt die Fifa für das Zentralstadion einen großzügigeren Pressebereich, einen exklusiveren VIP-Bereich und stärkere Sicherheitsvorkehrungen als bisher. Um die Aufteilung der Mehrkosten streiten sich seit mehreren Wochen die Stadt und Kölmels Betreibergesellschaft.

Doch die von außen diktierten Bedingungen sind nicht der einzige Grund für die gestiegenen Kosten. Als sich die Arena bereits im Bau befand, wünschte sich die Stadt einen durchsichtigen Rand für die Dachkonstruktion. Zudem sollte es bei der Sanierung des Hauptgebäudes vor dem Stadion einige bauliche Extras geben. Die Gesamtkosten dieser Sonderwünsche werden im Rathaus auf 1,2 Millionen Euro geschätzt.

Auch Kölmel selbst hatte zur Verteuerung des Projekts beigetragen. So wurden auf Wunsch des Investors die Anzahl der Verkaufskioske zwischen Ober- und Unterring verdoppelt. „Das ist natürlich Sache des Betreibers“, heißt es dazu von städtischer Seite. Kölmel versichert, dass er genug Geld für möglicherweise anfallende zusätzliche Rechnungen habe.

Das neue Stadion hat eine Kapazität von 45 000 Plätzen. Nach einem Entwurf des Schweizer Architekten Pascal Wirth wurde es in das alte Zentralstadion hineingebaut, in dem einst 100 000 Zuschauer Länderspiele der DDR-Nationalmannschaft bejubelten oder den propagandistisch aufgezogenen Turnfesten beiwohnten. Jetzt überragt das neue Dach das alte Stadionrund. Für sein Baukonzept erhielt Wirth am 29. Oktober 1997 den ersten Bauzuschlag per Stadtratsbeschluss. Kritiker bemängeln eine fehlende europaweite Ausschreibung zu diesem Zeitpunkt. „Wir haben uns nichts vorzuwerfen“, sagt Tiefensees Sprecherin Kerstin Kirmes zu den Vorwürfen. Schließlich seien die heute gültigen Ausschreibungsrichtlinien für Architekten erst zu einem späteren Zeitpunkt bundesweit gültig gewesen; laut Rathaus am 1. November 1997, also wenige Tage nach dem ersten Stadtratsbeschluss. Beobachter zweifeln diese Darstellung allerdings an. Denn der Beschluss zur kompletten Beauftragung von Pascal Wirth wurde im Stadtrat erst ein Jahr später gefällt.

Dass das Zentralstadion teurer wird als ursprünglich geplant, bestreitet in Leipzig niemand mehr. Private Sponsoren halten sich zurück mit Investitionen in die Arena, in der nach Leipziger Planungen auch bei den Olympischen Spielen 2012 Fußballspiele stattfinden sollen. Aus der seit Monaten diskutierten Idee, den Namen des Zentralstadions an einen Sponsoren zu verkaufen, ist bislang nichts geworden. Außerdem will die lokale Wirtschaft erst einmal abwarten, bis sich ein Leipziger Fußballverein für eine Profiliga qualifiziert hat.

Michael Kölmel versucht, die Situation in Leipzig positiv zu deuten. „Es ist schwerer, ein altes Stadion in ein neues zu bauen, als eine schlechte Mannschaft zu einer guten zu machen“, sagt der Stadionbetreiber. Dann verschränkt er wieder die Arme. Es geht nicht immer alles gut.

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