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Tim Wiese

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Tim Wiese: Gefangen im Selbst

Torwart Tim Wiese lässt seine Verhandlungen mit Werder Bremen fast scheitern und verlängert dann bis 2012. Was waren seine Gründe?

Torhüter sind Grenzgänger. Wandler zwischen den Welten. Mal läuft das Spiel weit weg von ihnen ab, dann stehen sie plötzlich ganz allein im Mittelpunkt. Das Torwartspiel scheint daher auch besondere Typen hervorzubringen, und Tim Wiese, geboren in Bergisch-Gladbach, seit zweieinhalb Jahren wohnhaft in Bremen, gilt als besonders extrem. Das liegt nicht nur daran, dass der 25-Jährige in seiner Freizeit mit großem Eifer Modellhubschrauber fliegen lässt, sondern auch an seiner exzentrischen Interpretation der Torwartposition. Wiese erzählt auch gerne in den Vip-Räumen des Weserstadions von „geilen Fotos“ in seinem Partykeller und meint damit lebensgroße Aufnahmen seiner Glanzparaden.

An Selbstbewusstsein fehlt es ihm nicht, und trotzdem war Wiese vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC in seinen Äußerungen zwischenzeitlich vorsichtig geworden. Seine vor drei Wochen erlittene Oberschenkelverletzung ist ausgeheilt; er weiß, dass er nun im Brennpunkt steht. Denn seinem Ruf war es nicht gerade dienlich, dass sein Berater Roger Wittmann die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung zunächst für gescheitert erklärt hatte. Werders Geschäftsführer Klaus Allofs drohte anschließend sogar: „Wir schauen, welche Spieler auf dem Markt sind.“ Diese Drohung scheint geholfen zu haben. Denn gestern verlängerte einen Tag nach Trainer Schaaf auch Wiese seinen Vertrag in Bremen bis 2012. „ Ich habe noch einmal mit meiner Freundin darüber gesprochen und wir sind gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass Werder das Beste für mich ist“, sagte Wiese.

Auf den ersten Blick war es das übliche Pokerspiel, das die Einigung zunächst hinausgezögert hatte. Wittmann soll drei Millionen Euro Jahresgehalt gefordert, Werder 2,4 Millionen geboten haben. Bei welcher Summe sich die beiden Parteien schließlich geeinigt haben, wurde gestern nicht bekannt.

Dass die Bremer ihren Schlussmann im Gegensatz zu den mit generösen Gagen ausgestatteten Leistungsträgern Diego, Naldo und Frings nicht um jeden Preis hatten halten wollen, hatte auch andere Hintergründe. Zum einen wissen sie bei Werder, dass Wiese in der Strafraumbeherrschung bis heute Schwächen besitzt, zum anderen ist seine Stellung in der Mannschaft nicht die allerbeste. Im Mai in der entscheidenden Phase der Meisterschaft hatte Schaaf plötzlich Torwart-Oldie Andreas Reinke aufgestellt.

Mit der Vertragsverlängerung aber endete die Kritik an ihm. „Es ist sehr erfreulich, dass wir uns nun doch so schnell einigen konnten“, sagte Werders Geschäftsführer Klaus Allofs, „Tim Wiese gehört zu den besten Keepern in Deutschland.“ Das glaubt vor allem auch Wiese, der sich zuletzt aufgeregt hatte, dass seine Kollegen Enke, Neuer und Adler nun zum erweiterten Kreis der Nationalelf gehören, dabei sei er doch für diesen Zirkel viel besser geeignet. Teammanager Oliver Bierhoff sprach sich deshalb mit Allofs aus, Torwarttrainer Andreas Köpke zog einen öffentlichen Konter vor. Wiese sei nicht der Torhüter, der das moderne Anforderungsprofil der Nationalelf erfülle, sagte Köpke und sprach ihm auch noch die menschlichen Fähigkeit für den dritten Torwart bei der EM ab. „Man braucht einen Keeper, der teamfähig ist, der sein eigenes Ego zurücknehmen kann.“ Insofern hatte Wiese vielleicht Recht, als er zu seinen Perspektiven innerhalb der Bundesliga gefragt wurde und im unverwechselbaren rheinischen Dialekt beschied: „In Deutschland kannste ja nirgendwo hingehen.“ Vielleicht ist er auch deshalb in Bremen geblieben (mit dpa).

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