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TIME Out: Der Falschpfeifer

Matthias B. Krause über den Schiedsrichterskandal in der NBA

Je nachdem, wen man fragt, war Tim Donaghy entweder ein treusorgender Familienvater oder ein cholerischer, gemeingefährlicher Mitmensch, der seine Nachbarn anbrüllt und ihre Rasenmäher in Brand steckt. Die akribisch geführte Statistik der National Basketball Association (NBA) attestiert dem seit 13 Jahren angestellten Mitarbeiter überdurchschnittliche Leistungen als Schiedsrichter, die Bundespolizei FBI sieht ihn im Mittelpunkt eines Wettskandals. Für NBA- Commissioner David Stern jedenfalls ist Donaghy derzeit der größte anzunehmende Albtraum. Ein Unparteiischer, der sich mit organisierten Kriminellen einließ und möglicherweise den Ausgang von Spielen beeinflusste, toppt den faden Nachgeschmack des langweiligen Finals zwischen San Antonio Spurs und Cleveland Cavaliers mit einer unterirdisch niedrigen Fernsehquote mühelos.

Noch ist das gesamte Ausmaß des Skandals nicht absehbar. Möglicherweise handelt es sich bei Donaghy um einen isolierten Einzeltäter, der, von Spielsucht befallen, mit seinen Schulden nicht mehr fertig wurde und sich von der Wettmafia einspannen ließ. Das FBI und die NBA untersuchen gerade alle Partien seit Dezember 2006, die Donaghy pfiff. Um seinen zwielichtigen Geschäftspartnern einen Dienst zu erweisen, muss er dabei nicht einmal Sieg oder Niederlage künstlich herbeigeführt haben. Die meisten Wetten werden auf die Differenz abgeschlossen, die das eine Team zwischen das andere legt. Da können schon ein paar Foul-Pfiffe in der Endphase eines bereits feststehenden Sieges helfen.

Schätzungsweise 250 Millionen Dollar werden in den USA jedes Jahr auf den Ausgang von NBA-Spielen verwettet, eine Summe, die auch jene anlockt, die dem Glück gerne ein wenig nachhelfen. NBA-Schiedsrichtern ist es streng verboten, Wetten abzuschließen. Wie das die Liga kontrolliert und wie sie Donaghy auf die Schliche kam, muss in den nächsten Wochen beantwortet werden.

Die Ermittlungen gegen Donaghy lassen auf jeden Fall die seit langem mehr oder weniger laut geäußerte Kritik an den vermeintlich unterbezahlen und schlecht ausgebildeten NBA-Schiedsrichtern in einem neuen Licht erscheinen. Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass falsche Pfiffe in den vergangenen zwei Jahren den Ausgang von Meisterschaftsspielen entscheidend beeinflusst haben. Namentlich die Dallas Mavericks und die Phoenix Suns können davon ein Lied singen. Sollte sich nun herausstellen, dass darin System steckte, wäre das ein Schlag, von dem sich die NBA in den nächsten Jahren nicht so leicht erholen dürfte.

An dieser Stelle erklären die US-Korrespondenten Matthias B. Krause und Sebastian Moll Phänomene aus dem nordamerikanischen Sport.

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