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Tischtennis: Kampfansage an China

Mit einem weiteren Glanzauftritt und dem Einzeltitel bei der EM in Belgrad macht Timo Boll seinen Triumph komplett. Zuvor hatte er bereits gemeinsam mit Christian Süß das Doppel-Finale gewonnen.

Belgrad - Der 26 Jahre alte Linkshänder aus Gönnern krönte seine Glanzauftritte bei der Europameisterschaft in Belgrad mit einem grandiosen 4:1-Sieg gegen den weißrussischen Titelverteidiger Wladimir Samsonow und gewann zum zweiten Mal nach 2002 den Einzel-Titel. Zuvor hatte der erfolgreichste EM-Teilnehmer auch im Doppel mit Christian Süß (Düsseldorf) und erstmals mit dem Herren-Team triumphiert. Bolls fantastisches Titel-Triple war sieben Wochen vor der WM in Zagreb eine klare Kampfansage an die Großmacht China.

Dank des dreifachen Erfolges, den zuletzt die schwedische Legende Jan-Ove Waldner 1996 geschafft hatte, verzeichnete der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) als stärkster Verband mit drei Mal Gold und drei Mal Bronze sein bestes Resultat seit der Heim-EM 1962 in Berlin. Dritte Plätze belegten das Damen-Team, das Damen-Doppel Elke Wosik/Wu Jiaduo (Busenbach/Kroppach) und fast sensationell EM-Debütant Dimitri Owtscharow (Tündern). Der Siegeszug des 18-jährigen Senkrechtstarters wude erst von Boll im Halbfinale gestoppt.

"Das war gigantisch. In den ersten drei Sätzen habe ich jeden Ball getroffen", kommentierte Boll das hochklassige Finale. "Meine Hand glüht noch", fügte der Weltranglisten-Vierte hinzu. Er steigerte sich von Tag zu Tag, gab im Turnier nur zwei Sätze ab und trumpfte im Finale gegen seinen ewigen Rivalen Samsonow groß auf. "Das war Timo Boll Wirbelwind", sagte Bundestrainer Richard Prause.

"Die Krönung der WM

Boll übernahm von Beginn an die Initiative und drängte den dreifachen Champion in die Defensive. Nach dem dritten Satzes schien Samsonow zu resignieren, bäumte sich aber noch einmal auf. Letztlich setzte sich aber der deutsche Meister wie im Teamwettbewerb mit 11:7, 11:7, 11:3, 8:11, 11:6 durch. "Das war die Krönung der EM", meinte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. "In dieser Verfassung hat er Timo auch gegen die Chinesen eine Chance, auch wenn es ungleich schwerer wird."

Zuvor hatten die WM-Zweiten Boll/Süß ihre außergewöhnlichen Doppel-Qualitäten beim 4:1 gegen Lucjan Blaszczyk/Tan Ruiwu (Polen/Kroatien) unter Beweis gestellt. Für Boll war es bereits das zweite Doppel-Gold. 2002 hatte er mit Zoltan Fejer-Konnerth (Grenzau) gewonnen, drei Jahre später holte er mit seinem neuen Partner WM-Silber und EM-Bronze. "Wir beherrschen die kleinen Sachen fast perfekt. Da ist es schwer, gegen uns durchzukommen. Das ist ein ganz besonderes Turnier für den DTTB, wir werden eine feucht-fröhliche Party feiern", freute sich der 21-jährige Süß.

"Vor allem unsere Herren sind offensiv aufgetreten und haben immer attackiert. Die Erfolge stärken unser Selbstvertrauen. Ich sehe für uns die große Chance, die Grätsche zwischen EM und WM zu schaffen. Wir werden den Fokus jetzt auf das Weltniveau legen", bilanzierte Schimmelpfennig. Europas neuer Champion soll sich in einem Spezialtraining in seiner hessischen Heimat Höchst auf das Duell gegen Chinas Asse vorbereiten.

Mentale Stärke

Im Gegensatz zu den DTTB-Damen, die zwar nach einer Pause von fünf Jahren wieder EM-Edelmetall holten, aber dennoch viele Chancen ungenutzt ließen, überzeugten Boll und Co. durch mentale Stärke auch in knappen Situationen. "Ich kann nicht strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Wir gehören zu den Besten, sind in einigen Bereichen aber nicht die Besten", sagte Damen-Coach Jörg Bitzigeio. So verpassten Wosik/Wu trotz einer klaren 3:0-Satz-Führung gegen die Ungarinnen Krisztina Toth/Georgina Pota den Einzug in das Finale.

Damen-Europameisterin wurde als vierte gebürtige Chinesin Li Jiao (Niederlande). Die 37-Jährige aus Heerlen bezwang ihre sieben Jahre ältere Clubkollegin Ni Xialian (Luxemburg). Im Doppel siegten Viktoria Pawlowitsch/Swetlana Ganina (Weißrussland/Russland), und im Mixed, das letztmals auf dem EM-Programm stand, hatte Gastgeber Serbien durch Aleksandar Karakasevic an der Seite von Ruta Paskauskiene (Litauen) Grund zum Jubeln.

Das schwache Zuschauerinteresse und viele organisatorische Pannen trübten die Freude über die sportlichen Erfolge. "Frechheit" und "Katastrophe" schimpfte Herren-Coach Richard Prause über den engen Zeitplan. Deutsche Journalisten und Schiedsrichter mussten spontan die Zählgeräte bedienen, um überhaupt an Informationen zu gelangen. "Wir wollen für die Zukunft einen Wettkampf-Manager verpflichten", kündigte Eberhard Schöler als Vizepräsident der Europäischen Tischtennis-Union Besserung an. (Von Peter Hübner, dpa)

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