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Timo Boll und Ma Long haben inzwischen viel gemeinsame Spielpraxis und sind sich sehr ähnlich.

© Jaspersen/ dpa

Tischtennis-WM: Timo Boll hat die größte Chance im Doppel

Boll spielt zusammen mit Ma Long. Ein gemeinsamer Erfolg wäre das perfekte Symbol für seine Karriere, in der sich Deutschland und China ergänzen wie Yin und Yang.

Es ist eine Einzel-Weltmeisterschaft, aber zuerst könnte man übers Doppel reden. Denn interessanter als die Frage, welcher der vier Chinesen Ma Long, Fan Zhendong, Xu Xin oder Zhang Jike den Männertitel bei dieser Tischtennis-WM gewinnt, ist etwas anderes: Veredelt Timo Boll seine ohnehin großartige Tischtenniskarriere durch seine erste WM-Goldmedaille?

Er würde dann nicht alleine oben auf dem Podest stehen, denn seine große Chance liegt im Doppel. Boll spielt zusammen mit Ma Long, dem vielleicht komplettesten Spieler, den die Welt gerade zu sehen bekommt. Und ein Erfolg mit ihm wäre das perfekte Symbol für Bolls Karriere, in der sich Deutschland und China ergänzen wie Yin und Yang.

Weltranglistenerster war Boll schon, er hat den World Cup zweimal gewonnen, eine Art Mini-WM, bei der er jeweils die besten Chinesen besiegte, bei Weltmeisterschaften wurde er unter anderem schon mal Zweiter im Doppel und Dritter im Einzel. Da bleibt eigentlich nicht mehr viel Luft nach oben. Doppel-Weltmeister wäre ein hübsches Krönchen. Mit Ma Long als Verstärkung unternimmt Boll nun den zweiten Anlauf. Und diesmal passt der Rahmen noch besser.

Hinter Boll liegen mehr Chancen als vor ihm

Vor zwei Jahren spielte Timo Boll mit Ma Long bei der WM in Suzhou, im Osten Chinas. Die Auslosung meinte es nicht gut mit ihnen. Sie hätten ein paar Runden zum Einspielen gebrauchen können, doch mangels gemeinsamer Auftritte spielten sie ungesetzt und schieden schon in Runde zwei gegen die späteren Weltmeister Zhang Jike/Xu Xin aus. Von Montag an treten sie in Bolls sportlicher Wahlheimat auf, in Düsseldorf. Dort spielt Boll seit zehn Jahren für die Borussia und hat mit ihr unter anderem dreimal die Champions League gewonnen. „Es ist vielleicht der Höhepunkt meiner Karriere“, sagt Boll daher.

Hinter Boll liegen jedenfalls mehr Chancen als vor ihm. Er ist inzwischen 36. Der Vertrag mit seinem Ausrüster läuft noch bis zu den nächsten Olympischen Spielen in Tokio. Verletzungen haben ihn immer wieder beeinträchtigt, Boll wird also vermutlich noch drei Jahre mit dieser Intensität Tischtennis spielen. Bei den Korea Open, dem letzten globalen Test vor der WM, sah man ihn gerade nicht nur als Spieler, der am Ende das Turnier gewann, sondern auch als Betreuer an der Bande. Das sah gar nicht so gewöhnungsbedürftig aus.

Bolls Vorgänger als bester deutscher Spieler, Jörg Roßkopf, ist inzwischen Bundestrainer der Männer, und selbst wenn man sich Boll weniger als ehrgeizigen Trainer jeden Tag in der Halle vorstellen kann – sein Wissen und seine Erfahrung wird er schon weitergeben wollen.

"Unsere Spielanlagen passen zueinander"

Jetzt will er davon erst einmal selbst noch profitieren bei der WM in Düsseldorf. Mittlerweile dürfte er mit Ma Long auch besser eingespielt sein, das Premierenfieber ist weg und interessant könnte sein, ob aus der Harmonie zwischen den beiden eine spielende Symbiose wird. „Ich freue mich sehr auf unseren zweiten Start als WM-Doppel. Zum einen verstehe ich mich mit Ma Long auch abseits des Tisches. Zum anderen haben mir die bisherigen gemeinsamen Auftritte sehr viel Spaß gemacht“, sagt Boll.

Eine sichtbare Grundvoraussetzung für den Erfolg erfüllen beide: Boll ist Linkshänder, Ma Long Rechtshänder. Das schafft Platz, damit beide ihre Vorhand einsetzen können. Viele der besten Doppel waren Rechts- links-Kombinationen, auch Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner, die 1989 in Dortmund den Titel gewannen, oder eben die Titelverteidiger Zhang Jike und Xu Xin

Und ihr System? „Unsere Spielanlagen passen sehr gut zueinander“, hat Boll einmal gesagt, „ich operiere mehr mit Spin, er ist ein echter Killer mit dem wohl größten Zug in der Tischtenniswelt. Bei den China Open 2013 gab es auch ein paar Bälle, von denen ich dachte, da kommt Ma Long jetzt nicht mehr ran. Und dann schaffte er es trotzdem.“ 2013 gewannen beide das Turnier bei ihrem ersten Auftritt.

Ma Long hat nichts zu verlieren

Doch Tischtennis besteht nicht nur aus Ballspiel und Beinarbeit, sondern auch aus sehr viel Gefühl und Mentalität. Boll und Ma Long sind sich sehr ähnlich, zwei freundliche, zurückhaltende Menschen, die ihre Gegner nicht anbrüllen. Wenn es läuft, dann läuft es. Aber wenn das Spiel mal etwas ins Stocken kommt, fragt sich, wer den anderen aus seinem kleinen Zwischentief herausreißen kann.

Ma Long ist seit der vergangenen WM noch einmal gereift, denn all seine Begabung hat er im vergangenen Jahr endlich in den größten Titel umwandeln können, den es zu gewinnen gibt, den Olympiasieg im Einzel. Also: Ma Long hat nichts zu verlieren und Timo Boll eine Menge zu gewinnen.

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