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Sport: Tolle Geste

Wenn Jahrzehnte Personen wären, wären die achtziger Jahre vermutlich so etwas wie das Schmuddelkind unter den Dekaden: ein bisschen seltsam irgendwie. Zu den größten Seltsamheiten gehörte, dass im Fußballland Deutschland plötzlich niemand mehr Fußball auf der Straße spielte, sondern nur noch Tennis.

Wenn Jahrzehnte Personen wären, wären die achtziger Jahre vermutlich so etwas wie das Schmuddelkind unter den Dekaden: ein bisschen seltsam irgendwie. Zu den größten Seltsamheiten gehörte, dass im Fußballland Deutschland plötzlich niemand mehr Fußball auf der Straße spielte, sondern nur noch Tennis. Wundersame Phänomene entdeckten wir damals. Dass unsere neuen Helden aus dem Fernsehen zum Beispiel immer ihre Schläger gegen die Schuhsohle klopften, auch wenn sie auf Hartplätzen spielten. Keine Ahnung, warum sie das taten, trotzdem spielten wir es auf der Straße ganz lässig nach. Erst später erfuhren wir, dass es sich um eine vollkommen nutzlose Marotte handelte.

So etwas fällt einem ein, wenn man im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ein Fußballspiel sieht, der Ball ins Aus rollt und je ein Spieler beider Mannschaften den Arm hebt, um den Einwurf für sich zu reklamieren. Eine komplett sinnfreie Marotte. Selbst wenn ein Spieler den Ball aus zwei Metern volley über die Linie getreten hätte, würde er vermutlich noch den Arm heben.

Es sind solche kleinen Schummeleien, die sich zu einem peinlichen Gesamtbild des deutschen Fußballs fügen. Wer gefoult wird, wälzt sich ausgiebig übers Feld, damit der Gegner den Ball ins Aus schießt. Tut er das dann, wird er sich wundern, wo er den Ball zurückbekommt: nicht etwa dort, wo er über die Linie geflogen war, sondern weit in seiner eigenen Hälfte, möglichst nah am Strafraum. Das Publikum klatscht freudig, wegen der tollen, fairen Geste, die so toll eigentlich gar nicht ist. Aber dieser Reflex stammt eben noch aus einer Zeit, als der Ball nicht fünfmal pro Spiel ins Aus geschossen werden musste, sondern höchstens einmal in fünf Spielen. Damals in den Achtzigern, diesem wunderbaren Jahrzehnt.

schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit Philipp Köster.

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