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Tour de France: Begrenzt haltbar

Erst im Juli 2017 steht endgültig fest, wer die Tour de France 2009 tatsächlich gewonnen hat.

Wer gewinnt die Tour de France? Noch vor einer Dekade konnte diese Frage Millionen Radsportfans in heiße Diskussionen verstricken. Namen wurden in den Ring geworfen, Qualitäten diskutiert und Geschwindigkeitsrekorde prognostiziert. Nur selten gab es Zweifel an der Grundlage der Leistungen.

Seit dem Jahr 2006 hat sich das Szenario geändert. Die Frage „Wer gewinnt die Tour de France?“ wird von der Spekulation abgelöst: Wie lange bleibt der Sieger ein Sieger? Bei Bjarne Riis, Tourchampion 1996, dauerte es elf Jahre, bis die Organisatoren der Veranstaltung sich nach dem Dopinggeständnis des Dänen genötigt sahen, das Gelbe Trikot zurückzufordern. Bei Lance Armstrong, Sieger 1999 vergingen sechs Jahre, bis die Sportzeitung „L’Equipe“ herausfand, dass dieser sein Blut mit Epo angereichert haben musste. Wie lange „L’Equipe“ von den im Jahr 2004 durchgeführten Nachkontrollen Kenntnis hatte, ist gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Auffällig ist, dass die Story nach der Tour des Folgejahres publiziert wurde. Armstrong hatte da bereits den Rücktritt vom Leistungssport erklärt. Dem sieben Jahre lang dominierenden Amerikaner, dessen schillernde Persönlichkeit der Tour geholfen hatte, das Skandaljahr 1998 vergessen zu machen, wurde ein Fußtritt hinterher geschickt, als dieser die Bühne verlassen hatte.

Der Sieger der Tour 2006 konnte sich nur ein paar Tage unumstritten seines Ruhms erfreuen. Sieben Tage nach der 17. Etappe, die Floyd Landis in spektakulärer Manier gewonnen und damit die Grundlage für seinen Gesamterfolg gelegt hatte, wurde der Befund über sein Testosterondopings veröffentlicht. Zwar ging noch mehr als ein Jahr ins Land, bis Landis auch offiziell aus den Statistiken gestrichen wurde, aber die Frist von sieben Tagen zwischen Dopingtest und Bekanntgabe des – positiven – Ergebnisses ist bemerkenswert. Nur 24 Stunden dauerte es im nächsten Jahr, bis der Kasache Alexander Winokurow des Fremdblutdopings überführt war.

2007 war das Rekordjahr der Dopingjäger. Die 24 Stunden bei Winokurow wurden im Falle des Dänen Michael Rasmussen mit minus zwei Monaten unterboten. Der Däne fiel bei keiner positiven Probe auf. Der mediale Druck angesichts Rasmussens offensichtlicher Lügen über seinen Aufenthaltsort reichte für eine Suspendierung aus. Zwei Monate später ergaben Nachkontrollen, dass der einstige Mann in Gelb sich das Epo-Präparat Dynepo verabreicht hatte. Bei der Tour 2008 lagen zwischen Dopingprobe und Bekanntgabe des Ergebnisses bei allen drei Cera-Fällen (Beltran, Duenas, Ricco) sieben Tage.

Die Tour de France 2009 geht wohl ohne Dopingfall über die Bühne. Für die französische Sportministerin Roselyne Bachelot ein „Erfolg für die Veranstalter“. Da ist sie sich einig mit Pat McQuaid. Die Ministerin und der UCI-Boss zweifeln nicht am Analysenetz, das bei der Mutter aller Profi-Rennen keinen Betrüger zu fangen vermochte.

Dass es weiter Doping im Radsport gibt, ist durch die Cera-Fälle beim Giro, bei der Dauphiné Libéré und bei der Tour de Suisse belegt. Die Leistungen des voraussichtlichen Siegers Alberto Contador, seiner Astana-Mannschaft, die Show des Bradley Wiggins und auch die Vorstellung vom Team Saxo-Bank wecken zumindest Zweifel. Doch weder hier noch in den weniger auffälligen Gefilden des Pelotons ist nur ein einziger Betrüger enttarnt worden. Das macht stutzig. Denn die Analysetechnik ist ausgefeilter denn je. Doch die Frist zwischen der Entnahme einer Dopingprobe und der Bekanntgabe eines positiven Resultats stieg rapide an. UCI-Präsident McQuaid macht dafür „langwierige Analyseprozesse” verantwortlich. Mario Thevis, Wissenschaftler am Doping-Kontrolllabor in Köln, führt aber zumindest im Fall Di Luca die Zeit zwischen Test und Ergebnis auf „interne Diskussionen beim Auftraggeber“ zurück.

Profiteur solch „interner Diskussionen“ sind die Veranstalter. Ein Dopingfall nach dem Rennen ist eine Randnotiz, ein Dopingfall während des laufenden Wettbewerbs ein Skandal. Wer wissen will, wer diese Tour de France gewonnen hat, muss bis zum Juli 2017 warten. Acht Jahre lang können Dopingproben nachträglich getestet werden. Eine Tour dauert jetzt also drei Wochen und acht Jahre.

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