zum Hauptinhalt
Beltran_afp

© AFP

Tour de France: Ein Sieg als Niederlage

Die diesjährige Tour hat ihren ersten Dopingskandal. Der Fall des spanischen Radprofis Manuel Beltran erweckt Zweifel, ob sich im Radsport je etwas ändern wird.

Es war, als wäre nichts gewesen. Auf dem Marktplatz des Tour-Etappenortes Figeac wummerte Technomusik aus großen Lautsprechern, eine Tanzgruppe unterhielt dazu die sich schon Stunden vor dem Start an die Absperrgitter drängelnden Fans. Tour-Direktor Christian Prudhomme begrüßte Honoratioren des Ortes und der Region und ließ sich über das ganze Gesicht strahlend von der Lokalpresse mit ihnen fotografieren. Um den Glaskasten mit der täglichen Presseschau hatte sich eine Menschentraube gebildet, um die Artikel über den grandiosen Etappensieg von Luis Leon Sanchez am Freitag und über Kim Kirchen zu lesen, den heroischen Verteidiger des Gelben Trikots. Für die Seite mit den Artikeln über den ersten Dopingskandal der diesjährigen Tour, den positiven Epo-Test und die vorübergehende Inhaftierung des Spaniers Manuel Beltran am Freitagabend, war hingegen kein Platz geblieben.

Die Tour-Organisatoren waren offenkundig darum bemüht, keine Krisenstimmung aufkommen zu lassen. So tauchte am morgendlichen Pressetreffpunkt auch statt Prudhomme selbst nur dessen deutscher Sprecher Dominik Englert auf, um den wartenden Reportern lakonisch zu verkünden, dass es keinen Grund für eine Pressekonferenz gebe. Es sei ja schließlich nichts Dramatisches passiert.

Ein knappes vorgefertigtes Statement gab Prudhomme dann schließlich im Vorbeigehen doch noch ab. Die Tatsache, dass die französische Anti-Doping Agentur AFLD Beltran erwischt habe, zeige doch, dass die Kontrollen funktionierten, sagte der wie immer aufgeräumt wirkende Tour-Chef. Es sei zwar enttäuschend, dass es noch immer Fahrer gebe, die die Zeichen der Zeit nicht erkannten, aber man könne doch froh sein, dass es jetzt einen Betrüger weniger auf den Straßen Frankreichs gibt. Fragen wollte Prudhomme nicht beantworten.

Ob Manuel Beltran tatsächlich nur ein isolierter Betrüger ist, wie auch seine Mannschaft Liquigas unermüdlich beteuerte, muss sich allerdings erst noch erweisen. Beltran wurde nach der ersten Etappe am vergangenen Sonntag gezielt auf Epo getestet, nachdem seine Blutwerte bei der Routineuntersuchung zum Rundfahrtbeginn aufgefallen waren. Da die französische Polizei in Beltrans Hotelzimmer nach Auskunft eines Liquigas-Sprechers keine Doping-Präparate gefunden hat, wurde er nach einer mehrstündigen Vernehmung am frühen Samstagmorgen um 3 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt. Somit droht ihm wohl auch keine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, die das französische Anti-Doping-Gesetz in diesem Fall vorgesehen hätte. Beltran plädierte für die „Unschuldsvermutung“: „Viele haben mich daran erinnert, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen die B-Probe nicht die A-Probe bestätigt“, ließ Beltran aus Spanien ausrichten, wohin der von seinem Team suspendierte Fahrer am Samstag flüchtete.

Aber Beltran war nicht der einzige, der sich der näheren Überprüfung durch die AFLD unterziehen muss. Am Donnerstag berichtete die Agentur von 20 Fahrern, deren hämatologische Parameter vor der Tour außerhalb des Normbereiches gelegen hatten. „L’Equipe“ berichtete am Samstag, dass aus diesen 20 fünf Fahrer unter begründetem Dopingverdacht stünden.

Konkret wollte „L’Equipe“ erfahren haben, dass der Italiener Riccardo Ricco, Zweiter des Giro d’Italia in diesem Frühjahr und Sieger der sechsten Tour-Etappe am Donnerstag, im Fadenkreuz der Ermittler stehe. Bei seiner Mannschaft Saunier Duval gab man sich am Samstag dennoch gelassen. „Wir haben das nur aus der Zeitung erfahren und haben noch keine offizielle Mitteilung von der AFLD. Wir haben aber keine Angst“, sagte Teamsprecher David Garcia. „Riccardo hat eine Bescheinigung, dass seine Blutwerte von Natur aus erhöht sind.“

Wie bei der Tour-Direktion war man auch hier bestrebt, den ersten Dopingskandal der diesjährigen Tour in seiner Tragweite herunterzuspielen. „Ich fand es völlig übertrieben, dass gestern Abend neun Gendarmerie-Wagen vorgefahren sind“, sagte so auch Garcia, dessen Mannschaft am Freitag im selben Hotel wie Beltrans Team untergebracht war.

Wenigstens bei jenen Mannschaften, die sich deutlich zum Kampf gegen das Doping bekennen, war man am Samstag indes besorgt. „Das ist natürlich eine riesige Tragödie für den Radsport“, sagte Jonathan Vaughters, der Direktor des amerikanischen Teams Garmin. Allerdings, fügte er hinzu, müsse man auch das Positive an der Sache sehen: „Vor zehn Jahren wäre Beltran überhaupt nicht aufgefallen. Die Tests sind eindeutig besser geworden.“ So wollte auch Bob Stapleton, der Besitzer der T-Mobile-Nachfolgemannschaft Columbia den Fall interpretiert wissen. „Dass Leute wie Beltran auffliegen, ist der schmerzhafte Preis, den wir leider für den Fortschritt in der Dopingbekämpfung bezahlen müssen.“

Hans-Michael Holczer vom Team Gerolsteiner flehte derweil die Journalisten, die sich um seinen Mannschaftsbus herum scharten, geradezu an, den Ausschluss von Beltran, als Fortschritt und nicht als Rückfall zu bewerten: „Geben Sie uns eine Chance!“, sagte der noch immer händeringend nach einem neuen Sponsor suchende Manager der größten deutschen Radsportequipe. „Ich sage Ihnen, es hat sich etwas verändert im Radsport.“

Minuten später machten sich die verbliebenen 174 Radler auf den 172 Kilometer langen Weg durch die Region Tarn in Richtung Toulouse. Mindestens einer Handvoll unter ihnen wird es dabei mulmig gewesen sein. Und das lag nicht an den Schwierigkeiten der Strecke.

Sebastian Moll[Figeac]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false