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Schumacher

© dpa

Tour de France: Kontroverse in Gelb

Nach Alkohol und Dopinggerüchten wollte der Rennstall Gerolsteiner Stefan Schumacher loswerden. Jetzt soll der umstrittene Radprofi das Team retten.

Als am Dienstagabend um kurz vor 21 Uhr der Motorrad-Kurier der Tour de France in die Lobby des "Westotel“ – einer funktionalen Geschäftsreisenden-Absteige irgendwo im Industriegebiet einer gesichtslosen Vorstadt von Nantes – trat, legte sich ein breites Grinsen auf das Gesicht von Hans-Michael Holczer. Nur selten in seinem Leben hatte der Chef des Teams Gerolsteiner sich so über eine Eillieferung gefreut. In der gelb-blauen Nylontasche steckte die höchste Auszeichnung, die es im Radsport gibt: Das Gelbe Trikot, das sein Fahrer Stefan Schumacher an diesem Tag gewonnen hatte. Auch gestern Abend bekam Schumacher wieder ein Exemplar. Nach der fünften Etappe, die der Engländer Mark Cavendish vom Team Columbia im Massensprint gewann, führt Schumacher weiter die Gesamtwertung an.

Die Lieferung war der Höhepunkt in Holczers Laufbahn als Manager eines Radsportteams, der Lohn für mehr als zehn Jahre unermüdliche Aufbauarbeit. Doch trotzdem wirkte der Stuttgarter nicht restlos gelöst, als er die Gratulationen seiner Kollegen entgegennahm, die mit ihren Mannschaften im selben Hotel logierten. Holczer musste einen langen Augenblick lang in sich gehen, bevor er die Frage, ob er dieses Trikot denn uneingeschränkt genieße, beantworten konnte.

Zurück zur notwendigen Professionalität?

Er antwortete mit einem emphatischen "Ja“, aber erst, nachdem er all die Dinge abgewogen hatte, die ihm in den letzten Wochen und Monaten die Unbefangenheit geraubt und den Spaß an seinem Job verdorben hatten. Dazu gehörte die erfolglose Sponsorensuche, die ihn kurz vor dem Tour-Start dazu nötigte, seinen Fahrern die Suche nach einem neuen Job zu empfehlen. Und dazu gehörte auch der Ärger, den er just mit dem Fahrer hatte ausstehen müssen, der ihm jetzt seinen großen Triumph bescherte.

Stefan Schumacher hatte Holczer im vergangenen Herbst gleich zwei Mal Sorgen bereitet. Zuerst war er vor der Weltmeisterschaft bei einem Test mit verdächtigen Blutwerten aufgefallen. Dann hatte Schumacher nach einem Discobesuch angetrunken einen Autounfall gebaut. Bei der nachfolgenden Blutkontrolle hatte man schließlich Spuren von Aufputschmitteln in seinem Blut festgestellt.

Holczer, der versucht mit seiner Mannschaft eine deutliche Antidopinghaltung einzunehmen, hätte sich damals wohl gerne von Schumacher getrennt. Doch das war juristisch nicht so einfach. Schumacher ließ Gutachten anfertigen, die beide Anomalien seiner Biodaten erklärten. Er zahlte Holczer einen "namhaften“ Betrag, wie der Manager sich ausdrückte, für den Imageschaden, den er seinem Arbeitgeber zugefügt hatte und man einigte sich, so Holczer, auf die Rückkehr zu einer "notwendigen professionellen Normalität“. Am Dienstag sagte der Teamleiter dann – ungehalten, dass er am Abend seines größten Triumphes wieder einmal über Doping reden musste –, dass die Sache für ihn "ein für alle Mal abgeschlossen“ sei.

Blasses Gelb schadet dem Image der Tour de France

An der Diskussion kommt er jedoch nicht vorbei. Und es sind diesmal nicht alleine die sauertöpfischen deutschen Medien, die in Schumachers Vergangenheit stöbern. Die französische Sporttageszeitung "L’Equipe“ trug am Mittwoch die Schlagzeile "Blasses Gelb“ und stellte fest, dass der Deutsche als Anführer der Tour dem Image des Rennens nicht gerade gut tue. In Belgien fragte man sich derweil laut, was Schumacher denn überhaupt bei der Tour verloren habe. Dem belgischen Star Tom Boonen wurde die Teilnahme verweigert, nachdem man bei ihm Spuren von Kokain gefunden hatte. Patrick Lefévère, dem Leiter von Boonens Team Quick Step, will der Unterschied zwischen seinem Fahrer und Schumacher einfach nicht einleuchten. "Ich habe mich damit abgefunden, dass Tom nicht bei der Tour dabei ist. Aber was hat dann Schumacher dort zu suchen?“

Für Hans-Michael Holczer ist der Unterschied eindeutig – Boonen war bei einer offiziellen Dopingprobe aufgefallen, Schumacher lediglich bei einer Polizeikontrolle. Aber selbst, wenn Holczer formal abgesichert ist, muss er sich fragen lassen, warum er Schumacher für die Tour nominiert hat. Sportlich hat der 26 Jahre alte WM-Dritte zwar mit seinem Etappensieg dieses Vertrauen gerechtfertigt. Zu dem Bild einer aggressiven Haltung des Teams Gerolsteiner gegen das Doping mag die Nominierung jedoch nicht so ganz passen. Offenbar hat bei der Berufung Schumachers die Verlockung des sportlichen Erfolgs über den Willen gesiegt, eine unmissverständliche Position zu beziehen. Holczer berichtete, er habe noch am Nachmittag eine E-Mail eines potenziellen neuen Förderers erhalten.

Sebastian Moll[Chateauroux]

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