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Vertrauensvorschuss. Tayfun Korkut bekommt die Chance, Hannover aus der Krise zu führen.

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Trainer von Hannover 96: Tayfun Korkut: Schutz für den Beschädigten

Die Vereinshistorie von Hannover 96 ist gespickt mit Beispielen für übereilte Trennungen von Trainern. Der zuletzt stark kritisierte Tayfun Korkut darf aber vorerst Coach des 2015 weiter sieglosen Klubs bleiben.

Von Christian Otto

Die Aufarbeitung des erheblichen Mangels, der Hannover 96 plagt, ließ nicht lange auf sich warten. Und wenn Martin Kind, der strenge Präsident dieses ehrgeizigen Vereins, an einem sonnigen Sonntagmittag zu einem Dienstgespräch bittet, hat das selten gute Gründe. Doch der jüngste Krisengipfel bei den Niedersachsen hat ergeben: Tayfun Korkut bleibt bis auf weiteres Trainer. Die 2:3 (1:1)-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund hat die Krise beim 14. der Bundesliga-Tabelle verschärft und bringt Korkut in Zugzwang. „Ich kann die Ergebnisse nicht ignorieren, spüre aber immer noch das Vertrauen“, sagt der 40-Jährige, der vorerst aufatmen darf. Vereinsboss Kind ließ nach einer Dreierrunde mit Korkut und Sportdirektor Dirk Dufner kommunizieren, dass eine vorzeitige Trennung derzeit kein Thema sei.

Vor allem wegen dieser Pleite gegen Dortmund mit hohem Unterhaltungswert herrscht in Hannover große Ratlosigkeit. Die Mannschaft hatte dem Trainer nicht den Dienst verweigert, sondern eine starke Leistung gezeigt. „Mit elf Spielern gewinnen wir hier“, sagte Mittelfeldspieler Leonardo Bittencourt und machte ein betroffenes Gesicht. Der frühere Dortmunder hatte eine überragende erste Halbzeit gespielt, das zwischenzeitliche 1:1 durch Lars Stindl mustergültig vorbereitet und dann voller Elan mit einer Dummheit die Wende eingeleitet. Bittencourt sah in der 55. Minute wegen wiederholten Foulspiels Gelb-Rot. Er war damit zum Wegbereiter für den Sieg der Borussia geworden. Tore von Pierre-Emerick Aubameyang und Shinji Kagawa reichten dem BVB, um viele Schwächen vor 49 000 Zuschauern vergessen zu machen. „Wir hatten ein paar wunderschöne und ein paar dumme Momente“, sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Weil Hannover durch Stindl in Unterzahl sogar noch auf 2:3 verkürzt hatte, musste der Sieger bis zur letzten Sekunde um den Erfolg zittern.

Nationalkeeper Zieler stärkt Korkut weiter den Rücken

Wie verworren und kompliziert die Gemengelage in Hannover ist, zeigten die Szenen direkt nach Schlusspfiff. Das Team um den starken Stindl war zunächst völlig entkräftet zu Boden gegangen und danach mit hängenden Köpfen in Richtung eigener Fankurve geschlichen. Dort hätte man eigentlich kein Lob, sondern viel Ärger vermuten müssen. Der harte Kern der Anhänger fordert weiter vehement, dass Präsident Kind sein Amt räumt, weil er ihrer Ansicht nach gegen krawallbereite Anhänger zu hart durchgreift. Jede weitere Niederlage dient seinen Kritikern als neues Futter. Aber in diesem Augenblick, als die Verlierer des 26. Bundesliga-Spieltags zur Abstimmung mit den Händen antraten, gab es lauten und lang anhaltenden Applaus. „Wir sind überzeugt von unserem Trainer“, sagte Torhüter Ron-Robert Zieler. Er gehört zu jenen Spielern, die Korkut weiter den Rücken stärken.

Die Vereinshistorie von Hannover 96 ist gespickt mit Beispielen für übereilte Trennungen von Trainern. Das Scheitern von Dieter Hecking etwa, der im Sommer 2009 bei den Niedersachsen entnervt aufgeben musste und jetzt mit dem VfL Wolfsburg Karriere macht, bedauert die Vereinsführung bis heute. Korkut war Ende 2013 als Nachfolger von Mirko Slomka eingestellt worden, weil man ihm zutraute, dass er als Neuling in der Bundesliga ein Mann mit Perspektive ist. Präsident Kind ringt sichtbar mit sich, wenn er jetzt gefragt wird, wie Besserung eintreten soll und wie viele Fehler Korkut noch machen darf.

Einer davon war bei der Heimniederlage gegen Dortmund offensichtlich. Denn der Trainer hatte in Salif Sané über Wochen einen Mann in die zweite Mannschaft strafversetzt, der überragende Leistungen zeigt. Der 24-Jährige gewann auch gegen Dortmund Zweikämpfe in Serie. Korkut mochte ihn lange Zeit nicht berücksichtigen, weil Sané sich dem teaminternen Kollektiv verweigerte Der Trainer gilt als stur, aber auch stabil. Er bleibt seinem Kurs treu, hat mehr Struktur in Hannovers Spielsystem gebracht und muss dennoch einen Mangel an Erfolgen verantworten. Es ist fast bewundernswert, wie konsequent Korkut seinen Weg geht. Dass ihn die Vereinsführung darin bestärkt, diesen weiterzugehen, ist ein weiterer Vertrauensvorschuss.

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