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Löw

© dpa

Trainerausbildung: Fußball als roter Faden

Schluss mit Vertragsrecht, Verwaltungslehre und Orthopädie: Der DFB hat die Trainerausbildung stark reformiert. Alle Theorie soll nun einen engen Bezug zur Praxis haben. Dafür gibt es längere Studienzeiten, die Kurzlehrgänge werden abgeschafft.

Frank Wormuth kämpft gerade mit den Tücken seines neuen Jobs. Sein Laptop sendet keine Signale an den Drucker, und per Telefon versucht er nun, den Fehler zu finden und zu beheben. Am anderen Ende rätselt ein Computerfachmann, woran es liegen könnte, aber was immer er Wormuth vorschlägt – es bringt nicht den erhofften Erfolg. „Wieso ist das so kompliziert?“, fragt er. Vielleicht müsste man den Computer mal neu starten.

In den vergangenen Monaten hat sich Frank Wormuth, 47 Jahre alt, mit einem sehr viel größeren Neustart beschäftigt. Seit dem 15. November ist er gemeinsam mit Bernd Stöber für die Trainerausbildung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln verantwortlich. Der frühere Junioren-Nationaltrainer Stöber ist für die A-, B- und C-Lizenzen zuständig, Wormuth leitet den Fußballlehrerlehrgang. Am Samstag beginnt der 55. Trainerlehrgang seit 1947, der erste, den Wormuth verantwortet – und der erste, der sich von den vorherigen maßgeblich unterscheiden wird. Statt sechs Monaten dauert die Ausbildung nun elf. „Das ist eine absolute Notwendigkeit“, sagt Sportdirektor Matthias Sammer, in dessen Ressort die Trainerausbildung fällt.

Der größere Umfang ist nur der äußere Ausdruck für eine inhaltlich vollkommen neue Struktur. „Wir haben erst einmal alle Inhalte hinterfragt“, sagt Wormuth. So etwas Ähnliches hat er schon einmal gemacht. Das war Anfang der Neunziger, als Wormuth in einer Freiburger Spedition arbeitete, die von einer Großverladespedition in eine Sammelgutspedition umorganisiert werden sollte. Wo kommt man her? Wo will man hin? Und auf welchem Weg lässt sich das Ziel am besten erreichen? Im Grunde zeichnet das auch einen erfolgreichen Trainer aus: dass er ein Konzept verfolgt.

Frank Wormuth fühlt sich immer noch als Trainer, allerdings als „Trainer ohne Wochenenddruck“, und Ausbildung ist schon immer sein Thema gewesen. Während seines Studiums an der Universität Basel hat er als Dozent im Fachbereich Fußball gearbeitet und eine neue Lehrform eingeführt. Es ging darum, Fußball spielend zu erlernen. „Ich vermittle hier auch meine eigene Philosophie“, sagt Wormuth.

Die Reform der Trainerausbildung war längst überfällig. Der Lehrgang, der 1947 von Sepp Herberger eingerichtet wurde, galt nur noch als lästige Pflicht, die Lizenz als formale Zutrittsberechtigung zur Welt des großen Fußballs; in all den Jahren ist noch nie ein Kandidat durch die Prüfung gefallen. Die Trainerausbildung ist längst zum Teil eines Systems geworden, das sich aus sich selbst heraus am Laufen hält. Sie hat die Modernisierung des deutschen Fußballs nicht nur nicht vorangetrieben, sondern sie in letzter Instanz sogar blockiert. Nicht umsonst sagt Bundestrainer Joachim Löw, der entschiedenste Modernisierer im deutschen Fußball: „Die Trainerausbildung ist mir enorm wichtig.“

Wormuth und Löw kennen sich, seitdem sie vor 25 Jahren eine Saison lang zusammen beim SC Freiburg in der Zweiten Liga gespielt haben; daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. Dass er nun eine strategisch wichtige Position im DFB besetzt, ist jedoch kein Freundschaftsdienst des Bundestrainers. Löw hat seinen früheren Mitspieler zwar für den Posten vorgeschlagen, aber der sagt: „Ich bin richtig begutachtet worden.“ Matthias Sammer, anfangs eher skeptisch, ließ sich in mehreren Gesprächen schließlich überzeugen: „Er macht das ganz hervorragend. Er arbeitet sehr akribisch, hat Durchsetzungsvermögen und ist ein Teamplayer.“ Wormuth verbinde theoretische Rationalität mit emotionalem Pragmatismus.

Der modifizierte Lehrgang wird laut Sammer einen „stärkeren Bezug zur Praxis und eine in sich gesündere Struktur“ haben. Die angehenden Trainer sollen nur noch das lernen, was sie wirklich brauchen. Wormuth selbst erinnert sich noch daran, dass ihm während seiner Ausbildung zum Fußballlehrer „tollste Bilder gezeigt wurden, wie operiert wird“. Dabei reicht es einem Trainer in der Regel, wenn er weiß, dass eine Operation erfolgreich verlaufen ist und wie lange sein Spieler anschließend ausfällt. Genauso wenig muss er sich in Vertragsrecht, Verwaltungslehre oder Orthopädie auskennen. Alle Theorie soll einen engen Bezug zur Praxis haben. „Der rote Faden bleibt Fußball“, sagt Wormuth.

Die Reform ist nicht Selbstzweck, sondern Teil eines größeren Ganzen. Die Trainerausbildung hat „absolut zentrale Bedeutung für uns“, sagt Sammer. Es geht für den deutschen Fußball darum, den Anschluss an die Zukunft wiederherzustellen, und die Trainer sind dafür das wichtigste Werkzeug. Frank Wormuth will aus der Hennes-Weisweiler-Akademie eine Akademie des Wissens machen, die intensiv mit Experten aus den verschiedenen relevanten Wissenschaften zusammenarbeitet und ihren Absolventen als Hilfe für lebenslanges Lernen auch nach der Ausbildung wertvolle Informationen vermittelt; Sammer spricht von einem Elitelehrgang. Es gehe darum, „die Wichtigkeit des Trainers“ herauszustellen: „Der Trainer ist die alles entscheidende Person.“

Mit ihrer Ausbildung sollen die Trainer noch besser auf ihren Beruf vorbereitet werden. „Es geht darum, den Trainerberuf auch wieder als Trainerberuf darzustellen“, sagt Bernd Stöber. Das bedeutet auch, dass sich die Nation von der Vorstellung verabschieden muss, dass der Trainerjob nur die Fortsetzung des Fußballerlebens mit anderen Mitteln ist. Wer ein guter Fußballer war, muss nicht automatisch ein guter Trainer werden. Und wer ein guter Trainer ist, muss nicht zwingend ein guter Fußballer gewesen sein.

Frank Wormuth hat knapp hundert Zweitligaspiele bestritten, ehe er in der Kreisliga als Spielertrainer angefangen und sich als Trainer über die Verbands- und die Regionalliga in die Zweite Liga hochgearbeitet hat. „Ich hab ganz unten angefangen und massenweise Fehler gemacht“, sagt Wormuth. „Nur ist es nicht aufgefallen.“ Wer aber gleich in der Bundesliga einsteigt und vor gestandenen Nationalspielern ausgemachten Blödsinn verzapft, läuft schnell Gefahr, sich unglaubwürdig zu machen.

Einen Kurzlehrgang, in dem Nationalspieler innerhalb von sechs Wochen ihren Trainerschein machen können, wird es daher künftig nicht mehr geben – obwohl auch Matthias Sammer auf diese Weise seine Lizenz erworben hat. „Damals war ich froh“, sagt er, „heute weiß ich, dass es inhaltlich nicht richtig war.“ Manchmal muss man die Trainer auch zu ihrem Glück zwingen. Frank Wormuth versteht das als eine Art Schutz. Die Vereine wissen, dass sie einen freien Trainerposten nicht mal eben mit einem früheren Spieler besetzen können, der gerade bei der A-Jugend geparkt wird: „Dann denken einige Vereine endlich mal strategisch.“ Zumindest wird der Druck, strategisch zu denken, etwas größer.

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