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Sport: Trainerwechsel: Christoph Daums freundliche Übernahme

Seine Spieler lässt er schon mal barfuß über Scherben laufen. Aber Christoph Daum hat mehr zu bieten als nur Psychotricks.

Seine Spieler lässt er schon mal barfuß über Scherben laufen. Aber Christoph Daum hat mehr zu bieten als nur Psychotricks. Der künftige Trainer der Nationalelf stützt sich auf Macher aus Leverkusen und Bayern - mit ihnen hat er den den alten DFB entmachtet.

Stilvoll geht es schon mal zu im neuen deutschen Fußball. Die Runde, die sich am Sonntag in einer hübschen Privatvilla in Köln-Königsdorf trifft, weiß, was sie sich wert ist. Und sie versteht zu genießen - schließlich gehört auch Rainer Calmund dazu, Manager von Bayer-Leverkusen und erklärter Freund des schönen Lebens. Gegen 16 Uhr haben die zwei eigens engagierten Köche die Schnitzel, die Nierchen und den Zwiebelrostbraten bereitet, drei Serviererinnen und drei Kellner tischten auf. Dann wird weiter beraten, weiter reformiert, weiter geplant, und am Ende, so gegen 18 Uhr 17, wird der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Handstreich genommen.

Man kann die Vorstöße der anwesenden Herren Calmund, Rudi Völler, Christoph Daum, Karlheinz Rummenigge und Uli Hoeneß durchaus als Übernahme bezeichnen. Als freundliche Übernahme: denn die der Revolution von Köln-Königsdorf beisitzenden Verbandsvertreter Gerhard Mayer-Vorfelder, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach haben sich nur allzu bereit der hochkarätigen Koalition von Fußball-Größen aus München und Leverkusen hingegeben.

Es war die Stunde der Profis, wie die "Bild"-Zeitung tags darauf die Herrschaften balkendick bejubelte, und es war der Tag der Sieger. Die Männer, die den gestürzten deutschen Verbandsfußball wieder auf die Beine helfen sollen, eint vor allen Dingen dies: Sie scheinen ausgestattet zu sein mit einer Garantie auf Erfolg. Rudi Völler, der nun für ein Jahr den Teamchef machen wird, war Weltmeister und ist im Management von Bayer Leverkusen mitverantwortlich für den Aufstieg des Vereins vom unbeliebten Werksklub zur allseits respektierten Spitzenmannschaft der Jetzt-Zeit. Christoph Daum, der ihn in einem Jahr als Bundestrainer ablösen wird, führte den VfB Stuttgart zur Deutschen Meisterschaft, gewann mit Besiktas Istanbul alles, was es im türkischen Vereinsfußball zu gewinnen gibt, und bimst heute Bayer Leverkusen den schönsten und emotionalsten Fußball Deutschlands ein. Karlheinz Rummenigge war stürmender Weltstar der siebziger und achtziger Jahre und ist als Vizepräsident einer jener Administratoren des einzigartigen Erfolges, auf den der FC Bayern München zurückblicken kann. Und die Macher im Hintergrund, Uli Hoeneß und Rainer Calmund, gelten weltweit als die erfolgreichsten, cleversten und innovativsrten Manager von Sportvereinen.

Mit Niederlagen umgehen lernen

Das ist die Erfolgsstory, und man konnte das sich daraus ergebende Selbstbewusstsein nebst höchster Professionalität zum Beispiel am letzten Spieltag der vergangenen Bundesliga-Saison bei Völler beobachten. Seine Leverkusener hatten gerade in Unterhaching die sicher geglaubte Meisterschaft vergurkt, und Völler, gekleidet in elegantem grauen Tuch, stand eine Zeit lang recht fassungslos auf dem Rasen. Manch einer wollte auch die ein oder andere Träne auf seinen Wangen gesehen haben. Und zu hören war dann ein nüchterner, aber nicht kalter Analytiker, der ohne handelsübliche Phrasen auskam und damit seine Stimmung recht exakt wiedergab: "Wir haben verloren, viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen, außer dass ich sehr, sehr traurig bin." Ein Weltmann stand da, und dieses neue Bild passte sehr schön zu dem alten des stets rackernden, stets ehrlich arbeitenden Stürmers, der, seiner strubbeligen grauen Haare wegen, als "Tante Käthe" das deutsche Fußball-Volk entzückte. Es stand nämlich da einer, der nicht hängen geblieben ist in der Vergangenheit, sondern einer, der die Vergangenheit als Erfahrung nutzt.

Auch Christoph Daum trauerte an diesem Tag, aber die Art und Weise, wie er mit dieser wahrscheinlich bittersten Niederlage seiner bisherigen Karriere umging, zeigte zumindest, dass er gelernt hat, mit Niederlagen umzugehen. Da war nichts Larmoyantes in seiner Rede, nichts Klagendes etwa gegen den damaligen Gegner aus Unterhaching, obwohl doch der mit fürchterlicher und destruktiver Spielweise seinen großen Traum von der Meisterschaft zerstört hatte. Wenigstens in diesem Moment hatte Daum eine frühere Eigenschaft abgeschüttelt - die der nervtötenden Lautsprecherei.

Doch wird Daum noch mehr abschütteln müssen. Denn, wie gesagt, Daums bisherige Laufbahn ist durchaus als Erfolgsstory zu beschreiben. Aber es existiert eben auch noch eine andere Story, die des gehetzten, ungeduldigen, übermotivierten Menschen Christoph Daum, der sich mit diesen Charakterzügen bisweilen doch arg im Wege steht. Da ist die Geschichte von Leeds, wo Daum 1992 als Trainer des VfB Stuttgart im Übereifer falsch einwechselte und damit die Mannschaft um ihren Lohn brachte. Der Sieg wurde annulliert, im Wiederholungsspiel schied der VfB aus dem Europapokal aus. Das sprach nicht für besondere Befähigung zum Krisenmanagement.

Da ist seine Unruhe, die immer wieder deutlich wird im Gespräch. Er hatte einmal als Trainer von Besiktas ein Freundschaftsspiel bei Türk Gücü in München zu absolvieren und beantwortete den Reporterwunsch nach einem Interview mit einem gehetzten, gestammelten und dutzendfach wiederholten "Okay, Okay, okay, okay..." Als stünde der Erfolgstrainer neben sich, als sei er nicht Herr seiner Sinne.

Da sind seine mitunter lächerlichen Versuche, die Spieler zu motivieren, diese Anleihen an psychologische Proseminare, mit denen Daum seine Kicker auch schon mal über Scherben laufen lässt. Man kann das auch als Kinderkram bezeichnen.

Und vor allen Dingen ist da Daums Ungeduld, sein Ehrgeiz, der seine Augäpfel hervortreten lässt, als habe er gleich mehrere Linien Kokain verköstigt - ein Verdacht, der ihm im Übrigen in seiner Zeit als Trainer beim 1. FC Köln angehängt wurde und gegen den er sich erfolgreich zur Wehr setzte. Dieser Ehrgeiz und diese Ungeduld stehen doch arg im Widerspruch zum jetzt allerseits geforderten behutsamen Neuaufbau des deutschen Fußballs.

Er hat also einiges abzuschütteln, der Christoph Daum, im Grunde genommen, muss er, will er den Vorgaben folgen, nur seinen Charakter ändern. Aber vielleicht geht das ja alles von selber, nun, wo Daum den Gipfel seines Schaffens erklommen hat und der Ehrgeiz befriedigt ist.

Zumal Daum professionelle Helfer um sich weiß. Und das ist der erstaunlichste Aspekt am Ende dieses höchst albernen Geschachers um die Nachfolge des zurückgetretenen Erich Ribbeck. Die Zeit des ehrenamtlich geführten DFB ist offensichtlich abgelaufen, in der der ehemalige Kartoffelhändler Egidius Braun voller Pathos und Rührung Moral und Wertekanon vorgab und der mehrfach abgewickelte Multifunktionär und Politiker Gerhard Mayer-Vorfelder sein Profil zu schärfen suchte.

Die Macht sitzt nun rechts vom Rhein, in der Spitze des Bayer-Konzerns, und sie sitzt oberhalb der Isar, auf der Säbener Straße, wo der FC Bayern München seine Geschäftsstelle hat. Mit anderen Worten, sie sitzt in den Profi-Klubs, wo die handelnden Personen Begriffe wie Ehre und Nationalstolz allenfalls als Faktor im Kosten-Nutzen-Plan kennen. Ein Neustrukturierung des DFB, wie sie zum Beispiel auch in einer neu geschaffenen Sonder-Kommission zu erkennen ist. Alle vier Wochen, so hat das der neue Teammanager Rummenigge verkündet, werden sich die Vereine treffen, die Nationalspieler abstellen.

Es gab also nach diesem ertragreichen Arbeitsessen in der Privatvilla von Köln-Königsdorf gleich mehrere Sieger. Die Herren Völler und Daum, die als selbstlose Retter des deutschen Fußballs verehrt werden dürften, denn es ist stark zu vermuten, dass das Jahr der Nationalmannschaft unter Völler ein Jahr unter Völler unter Anleitung Daums werden wird. Gewonnen haben auch Calmund und Hoeneß, die dem trägen Verband an einem kurzen Sonntagnachmittag demonstriert haben, wie Krisen zu managen sind. Auch Rummenigge darf sich als Sieger fühlen, weil er nun endlich die Chance hat, einmal etwas zu machen, ohne dass er als Erfüllungsgehilfe seines Chefs Franz Beckenbauer dastehen muss. Und ganz oben auf dem Treppchen steht Bayer Leverkusen, der Verein, der die größten Opfer gebracht hat, weil er zwei seiner leitenden Angestellten abgegeben hat zum Wohle des deutschen Fußballs.

Als die Runde sich am späten Sonntagnachmittag auflöste und vor die Fernseher zog, um beim Finale der Europameisterschaft zwischen Frankreich und Italien schon mal zu sehen, wohin ihre eigenen Pläne führen sollen, verließen zufriedene Männer die Villa in Köln-Königsdorf. Denn Dank ihrer Arbeit ist nun "Schluss mit Rumpel-Fußball". Das verkündet zwar die "Bild"-Zeitung. Aber es ist trotzdem mehr als nur eine Hoffnung.

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