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Sport: Training ohne Trainer

Hinter der Häuserfassade schien sich Wichtiges anzubahnen. Ein Fotograf hatte seine Kamera erwartungsfroh postiert, die Journalisten hatten die Schreibblöcke parat.

Hinter der Häuserfassade schien sich Wichtiges anzubahnen. Ein Fotograf hatte seine Kamera erwartungsfroh postiert, die Journalisten hatten die Schreibblöcke parat. Dort, in einem Gebäude nahe der Geschäftsstelle von Hertha BSC, saßen Manager Dieter Hoeneß und Trainer Jürgen Röber seit Stunden zusammen. Gerüchte machten die Runde, in Anbetracht der vielen Spekulationen und der Unruhe werde über den am Saisonende auslaufenden Vertrag Röbers schon vorzeitig entschieden. Dass Röber die Leitung des Abschlusstrainings für das heutige DFB-Pokalspiel gegen Eintracht Frankfurt seinem Assistenten Bernd Storck übertragen hatte, was höchst ungewöhnlich war, nährte noch die Gerüchte. Als dann Hoeneß das Gebäude verließ und alle Umstehenden an seinen Lippen hingen, verkündete der Manager mit treuherzigem Augenaufschlag: "Das Thema Trainer war kein Thema. Wir haben lediglich über die augenblickliche Personalnot gesprochen." Sollte man ihm das abnehmen?

Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Gleichzeitig verwies Hoeneß auf die Pressemitteilung, die mittags auf die Redaktionstische flatterte. Dort teilte er das mit, was alle schon wussten: "Wir werden uns aufgrund der Terminenge nach dem Spiel gegen den FC St. Pauli zusammensetzen und uns bis dahin nicht an den geführten Spekulationen beteiligen." Das Thema werde in aller Ruhe besprochen. Offenbar will man mit dieser Erklärung bis zum Dienstag, also nach dem letzten Spiel des Jahres, das Thema beenden. Herthas Verantwortliche machen kein Hehl daraus, dass ihnen die Spekulationen und Diskussionen gehörig auf die Nerven gehen.

Dem Hauptbetroffenen, Jürgen Röber, ganz besonders. Röber, der die wartenden Medienvertreter gestern Nachmittag natürlich wahrgenommen hatte, ließ ihnen durch Pressesprecher Hans-Georg Felder mitteilen, Fragen über seinen Trainervertrag werde er nicht gestatten. Wer Fragen zum heutigen Pokalspiel habe, der könne ihn in seinem Auto erreichen. Mit dem, gesteuert von Storck, fuhr er sofort nach dem Gespräch mit Hoeneß nach Frankfurt, während die Mannschaft flog.

In der Maschine fehlten viele Stammspieler. Deisler, Beinlich, Konstantinidis, Alves und Goor, der seinen Bänderriss in seiner Heimat Belgien ohne Operation behandeln lässt, ohnehin, aber auch Marcelinho und Eyjölfur Sverrisson. Dass der Brasilianer ("Am Sonnabend im Bundesligaspiel gegen Leverkusen bin ich wieder dabei") ausfällt, macht die Aufgabe Herthas nicht leichter. Marcelinho hindern ebenso wie Sverrisson Leistenbeschwerden. Leichte Probleme haben auch Andreas Schmidt und Josip Simunic. Angesichts der Personalnot flog mit Oliver Schröder auch ein Amateur mit. Im Tor steht weiterhin Christian Fiedler, der zuletzt in Erfurt mit einer beachtlichen Leistung die drohende Niederlage verhinderte. Röber: "Gabor Kiraly hat erst seit einigen Tagen voll mittrainiert. Wir wollen ihn noch ein wenig schonen." Kiraly selbst meinte, er sei "so gut wie fit". Vielleicht ist er am Sonnabend gegen Leverkusen wieder dabei.

Nach wie vor betonen Hoeneß und Röber, dass es das erklärte Ziel sei, "nach den Amateuren auch die Profis ins Berliner Pokalfinale zu bringen". Bislang hatte man nicht das Gefühl, dass die Spieler ähnlich denken. Gegen Babelsberg musste die Nachspielzeit herhalten, um zum Sieg zu kommen, danach wurde gegen Erfurts Amateure die Blamage mit gewaltigem Dusel gerade noch so vermieden. Und nun ist also der Bundesliga-Absteiger und Zweitligafünfte Eintracht Frankfurt der Gegner. "Für Frankfurt ist das eine gute Gelegenheit, die Krise kurzfristig zu bewältigen", meinte Hoeneß und spielte damit auf die letzte Heimniederlage der Hessen im Zweitliga-Punktspiel gegen Ahlen an.

Nach dem bitteren Ausscheiden aus dem Uefa-Pokal gegen Genf käme Hertha "aus sportlichen und wirtschaftlichen Gründen" (Hoeneß) das Weiterkommen im nationalen Pokal sehr zupass. Zwar wurde im Etat nur mit einer Runde kalkuliert, aber zu verdienen gab es bislang noch nichts. Erst mit Fernseh-Originalübertragungen fließt das Geld. Und da ist Hertha weitaus weniger attraktiv als der FC Bayern, dessen Partie in Osnabrück heute live gesendet wird. Das kann sich ändern, wenn im dritten Duell mit einem unterklassigen Klub der dritte Sieg herausspringt. "Wir sind besser und werden gewinnen", prophezeite Pal Dardai. Normal wäre es.

Klaus Rocca

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