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Sport: Trauer und Krawall

Von Anne Grüttner Buenos Aires. Mittwoch um halb 9 Uhr morgens: Noch sind die Straßen leer, die Zeitungshändler dösen in ihren Straßenständen vor sich hin.

Von Anne Grüttner

Buenos Aires. Mittwoch um halb 9 Uhr morgens: Noch sind die Straßen leer, die Zeitungshändler dösen in ihren Straßenständen vor sich hin. Erst nach und nach kommen die Leute aus ihren Häusern, machen sich auf den Weg zur Arbeit. Alle sehen gleich aus an diesem Morgen, nachdem Argentinien erstmals seit 40 Jahren schon in der Vorrunde der Weltmeisterschaft ausgeschieden ist: Übermüdete, verquollene Augen stieren verbiestert auf den Boden, sind nach Innen gerichtet, wo einzelne Szenen und Gefühlsaufwallungen von der Live-Übertragung des WM-Spiels zwischen Argentinien und Schweden morgens um halb drei immer wieder abgespult werden: Die vielen Torchancen zum Beispiel, die sich vor allem in der ersten Halbzeit boten. Stürmer Claudio Lopez, der sich verzweifelt die Mähne raufte, wenn er mal wieder danebengeschossen hatte. Dann der Freistoß vom Schweden Anders Svensson, der zum 0:1 führte und die Hoffnungen des argentinischen Teams mit einem Schlag zu zerstören schien.

Dann die neue Hoffnung in der 87. Spielminute, als der eingewechselte Stürmer Hernan Crespo zum 1:1 ausglich. Ein Tor noch! Es fiel nicht, trotz vierminütiger Nachspielzeit. Argentinien war draußen. „Ein Jammer, es war das beste Spiel der argentinischen Mannschaft in der Weltmeisterschaft, die Spieler haben wirklich alles gegeben“, sagte der frühere Nationaltrainer Carlos Bilardo, unter dem Argentinien 1986 Weltmeister geworden war. Große Enttäuschung und Verbitterung darüber, dass sie nicht nur in der internationalen Wirtschaftswelt, sondern nun auch noch im Fußball zu den Schlusslichtern gehören, drücken auf die Stimmung der fußballfanatischen Argentinier. Viele sind aber auch wütend auf Trainer Marcelo Bielsa, der nach Meinung vieler Fans zu sehr den europäischen, athletischen Fußballstil nachzuahmen versucht, statt auf die Stärken des lokalen Fußballs zu setzten.

„Argentinien muss lernen, sich selbst treu zu werden. Wir wollen immer so sein wie die anderen, anstatt uns auf unsere eigenen Stärken zu verlassen“, sagt der Musiklehrer Alejandro Fidalgo, der sich müde und enttäuscht auf den Weg zum Unterricht macht. „Argentinien spielt erstklassigen Fußball, hat eine erstklassige Technik. Das ist unsere Stärke.“ Bielsas Nationalspieler, die bis auf Ortega alle in europäischen Profimannschaften zu Hause sind, haben diese Begabung mittlerweile verloren, meinen die Fans, deren Unmut in den frühen Morgenstunden allgegenwärtig war. Manche zerschlugen ihre Tröten an Laternenpfählen, andere warfen frustriert Schaufensterscheiben ein. Ernst wurde es aber erst, als ein paar junge Leute eine argentinische Flagge verbrannten. Da setzte es Schläge patriotischer Anhänger, aber bei Temperaturen unter null Grad beruhigte sich die Lage in Buenos Aires schnell wieder. Etwas heftiger ging es in Cordoba, der zweitgrößten Stadt des Landes, zu. Nach dem Aus randalierten enttäuschte und alkoholisierte Anhänger in der Innenstadt. Die Polizei nahm vorübergehend etwa 60 Menschen fest. Doch auch hier beruhigte sich die Lage nach einer Stunde wieder. Die Fans gingen schlafen.

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