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Ein Tor und ein paar Bälle. Mehr hat der Fußballprofi Tim Wiese früher nie gebraucht zum Glücklichsein. In Hoffenheim ist das jetzt ein bisschen anders.

© picture-alliance / Promediafoto

TSG Hoffenheim: Wo der Babbel-Ballast trainiert

Hochbezahlt und überflüssig: Tim Wiese, Eren Derdiyok und Matthieu Delpierre bilden bei der TSG Hoffenheim die seltsamste Trainingsgemeinschaft der Fußball-Bundesliga. Ein Ortstermin.

Bullenhitze liegt über dem idyllischen Dietmar-Hopp-Stadion oben am Waldrand des 3000-Seelen-Dorfs Hoffenheim. Und Friedhofstille. Bis die sogenannte Trainingsgruppe II zum Schulsportplatz der Akademie hinunterschlendert. Irgendwie lustlos. Nicht nur wegen der 33 Grad Celsius schon am Vormittag. Prominente Profis sind dabei: Tim Wiese, Eren Derdiyok, Edson Braafheid, Matthieu Delpierre. Der Babbel-Ballast, den der Retter Markus Gisdol abgeworfen hat. Auch Tobias Weis und Matthias Jaissle, beide einst Rangnick-Zöglinge, zählen zu denen, die keine Rolle spielen für den Hoffenheimer Bundesliga-Auftakt gegen den 1. FC Nürnberg.

Die seltsamste Trainingsgemeinschaft der Liga, hochbezahlt und überflüssig, weiß nicht so recht, wofür sie übt. „Ich sage nichts, und keiner wird etwas sagen“ – so reagiert Tim Wiese, wenn er angesprochen wird. Er steht mehr gelangweilt herum, als dass er engagiert Bälle abwehrt, die der vereinslose Kollege Alexander Stolz schießt und wirft. Wie Stolz haben auch die arbeitslosen Ex-Hoffenheimer Eichner, Ibertsberger und Kamavuaka gebeten, beim Klub der Beschäftigungslosen mittrainieren zu dürfen.

Schließlich liegt Wiese im Schatten, den Kopf in die Hand gestützt und schaut dem Passspiel der anderen zu. Der eigens für die Aussortierten eingestellte Fußballlehrer Sascha Koch ist hörbar motiviert und versucht, das mit drei vertragslosen Profis und einigen Nachwuchsspielern aufgefüllte Dutzend zu motivieren: „Ein bisschen bewegen müssen wir uns schon.“ In Braafheid findet Koch an einen lautstarken Gehilfen. „Mach mit, Matze! Weiter.!Ja! Okay. Tobi, mach mit!“

Wieses größte Anstrengung in den anderthalb Stunden folgt, als er mit Alexander Stolz das Aluminiumgestänge aus dem Schatteneck zur Mittellinie schleppt. Sieben gegen Sechs auf einem Kleinfeld. 25 Minuten lang. Wiese erwacht aus seiner Lethargie, klatscht in die Handschuhe, lobt „schön Junge!“, fordert „tu doch mal weh!“ und ruft „nicht aufgeben!“. Da liegt seine Sechs bereits 0:4 hinten. Zum Schluss steht es 1:6. Derdiyok hat einen Elfmeter verwandelt.

Eine Viertelstunde später und fünf Kilometer weiter. Bernhard Peters, Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung, Alexander Rosen, Leiter Profifußball, und Medienchef Holger Tromp sitzen in einem Konferenzraum des gläsernen Geschäftsgebäudes im Zuzenhausener Trainingszentrum. Die Herren sind bereit, über dieses heikle Thema zu reden, nicht aber über einzelne Spieler. Das abgeschobene Sextett dürfte einen geschätzten Marktwert von um die 15 Millionen Euro besitzen, ganz zu schweigen von der millionenschweren Belastung des Gehaltbudgets. Und jeder der Sechs hat noch einen Vertrag: Bis 2016 Wiese, Derdiyok, Weis, bis 2015 Jaissle, bis 2014 Braafheid, Delpierre. Bis zum Transferschluss am 31. August hat 1899 Hoffenheim Zeit, das teure Personal vom Nebenplatz und der Lohnliste herunter zu bekommen. „Es gibt einen Markt für diese Spieler“, sagt Rosen. „Aber wir werden keine Wasserstandsmeldungen zu den einzelnen Spielersituationen geben.“

Die Trainingsgruppe II ist die Konsequenz eines „Überhangs von über vierzig Spielern“, sagt Rosen. Eine Gruppe wurde für die neue Saison ausgewählt, eine für den Sommerschlussverkauf aussortiert. „Keine angenehme Situation für diese Spieler“, sagt Rosen. Aber solange sie auf dem Hoffenheimer Hof verweilen, „haben wir die extreme Verantwortung, ihnen ein möglichst optimales Training zu bieten, anstatt sie nur zum Laufen in den Wald zu schicken“. Sogar offizielle Testspiele werden arrangiert, offiziell angemeldet bei der DFL: TSG Hoffenheim – TSG Eintracht Plankstadt 8:0. Tim Wiese stand in den ersten 45 Minuten im Tor.

Manager Alexander Rosen hat irgendwo doch ein Zeitungszitat vom einstigen Nationaltorwart entdeckt, es lautet: „Ich bin sehr gut vorbereitet und könnte sofort spielen.“ Wo auch immer, nur nicht mehr in Hoffenheim.

Hartmut Scherzer

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