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Sport: Tue Gutes, und rede davon!

Es war der 21. August 1996, als Christoph Daum den deutschen Sprachschatz um ein Wortmonstrum ergänzte.

Es war der 21. August 1996, als Christoph Daum den deutschen Sprachschatz um ein Wortmonstrum ergänzte. Ulf Kirsten, lange erfolgloser Angreifer von Bayer Leverkusen, hatte drei Tore gegen Duisburg erzielt, und bei der Suche nach den Ursachen stießen die Reporter auf einen leutseligen Daum: Er habe Kirsten die "Staubsaugervertreterphilosophie" nahe gebracht, rühmte er sich. (Vielleicht hätte auch die Staubsaugervertretermentalität gereicht, aber unter Philosophie macht es einer wie Daum nicht.) In jede Kamera sprach er von seiner tollen Idee und lächelte stolz. Daum war immer schon der Ansicht, die Öffentlichkeit solle von seinen Großtaten erfahren.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Am Wochenende konnte man sich im Berliner Olympiastadion an die Szene mit dem stolzen Daum erinnert fühlen. Hertha BSC hatte gerade Kaiserslautern 5:1 besiegt, und die meiste Aufmerksamkeit hatte ein Spieler erregt, den in Berlin niemand mehr für voll nahm: Alex Alves war an vier der fünf Tore beteiligt gewesen, hatte gedribbelt und war gerannt wie nie zuvor. Wie das? Falko Götz, Herthas Interimstrainer, berichtete von einem "Griff in die Psychokiste", und dann lächelte er ein bisschen, so wie Daum damals gelächelt hatte. Götz erzählte, dass er Alves ein Video mit dessen besten Spielszenen gezeigt hatte. Tue Gutes, und rede davon!

Als Falko Götz 1988 aus Leverkusen nach Köln wechselte, hieß der Trainer dort Christoph Daum. Daum war jung und ehrgeizig und keiner dieser früheren Profis, die 300 Bundesligaspiele als Qualifikation für den Trainerjob für vollkommen ausreichend halten. Daum hatte es als Spieler nie über die Oberliga hinausgebracht. Aber er wollte allen zeigen, dass in ihm ein hervorragender Trainer steckt. "Er hat sehr akribisch gearbeitet, hat immer versucht, eigene Systeme zu entwickeln", erinnert sich Götz. Menschlich sind sie sich nie nahe gekommen, aber fachlich hat der junge Daum - der, der noch kein Kokain konsumiert hat - "mich schon beeindruckt", sagt Götz. Das merkt man.

Zum Thema Online Spezial: Die Affäre Daum im Rückblick Auch Götz ist ein akribischer Arbeiter. Bei manchen Einheiten schließt er die Zuschauer vom Training aus, um mit den Spielern im Geheimen Ecken und Freistöße zu üben, er trainiert gelegentlich mit den Stammkräften auf einem gesonderten Platz, unterrichtet seine Spieler en détail über die Stärken und Schwächen des Gegners - und er versteht sich ebenso wie Daum in der Kunst der Motivation. Götz sagt, "dass ich immer nur Hilfen setzen kann". In der vergangenen Woche war die Hilfe ein Plakat in Herthas Trainingskabine: "Unser größter Feind ist die Selbstzufriedenheit", stand darauf. Auch Daum war für plakative Aussagen immer zu haben. In jedem zweiten Porträt über ihn wurde erwähnt, dass in seinem Zimmer in der Bayarena ein Spruch von Albert Einstein an der Wand hing: "Alles Denkbare ist machbar."

Obwohl der ruhige Götz ein ganz anderer Mensch ist als der bisweilen durchgeknallte Daum, gibt es auch in ihren Biographien einige interessante Parallelen. Götz wurde im Vogtland geboren, Daum lebte dort drei Jahre lang bei seinen Großeltern, ehe ihn seine Eltern in den Westen nachholten. Götz flüchtete 1983 in die Bundesrepublik. Beide waren Amateurtrainer, bevor sie in die Bundesliga aufstiegen. Im September 1986 wurde Daum in Köln Nachfolger von Georg Keßler. Er sollte die Mannschaft lediglich bis zum Saisonende trainieren, so wie Götz es nun bei Hertha tut. Daum blieb vier Jahre beim FC, wurde zweimal Dritter und zweimal Zweiter. Auch Götz gilt in Berlin nach drei Siegen bereits als Glücksfall. Morgen kehrt er mit seiner Mannschaft nach Köln zurück. Vier Jahre hat er dort gespielt. Götz wird täglich daran erinnert: "Meine Frau ist aus Köln."

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