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Sport: Türkei - Italien: Die Türken fühlen sich beim 1:2 gegen Italien vom Schiedsrichter ungerecht behandelt

Dino Zoff ist Realist. "Höchstens 24 Stunden", lautet die knappe Antwort des italienischen Nationaltrainers auf die Frage, ob er nach dem 2:1-Erfolg seiner Mannschaft gegen die Türkei in Arnheim nun Ruhe haben werde.

Dino Zoff ist Realist. "Höchstens 24 Stunden", lautet die knappe Antwort des italienischen Nationaltrainers auf die Frage, ob er nach dem 2:1-Erfolg seiner Mannschaft gegen die Türkei in Arnheim nun Ruhe haben werde. Zoff war von den Medien in Italien heftig kritisiert worden. Die Leistungen der Italiener in den letzten Spielen während der Vorbereitung auf die Fußball-EM waren größtenteils indiskutabel gewesen. Von einem "Desaster" sprach der "Corriere dello Sport" nach dem 0:1 in Norwegen im letzten Test. Kritik an "Dino Nazionale" - eigentlich kommt das einer Majestätsbeleidigung gleich. 570 Spiele bestritt er in Italiens höchster Spielklasse, mehr als die Hälfte seiner 112 Länderspiele beendete die Torhüter-Legende ohne Gegentor. Doch wenn die Nationalelf schlecht kickt, zählt solcher Ruhm nicht mehr. "Das ist normal. Fußball ist bei uns eine nationale Angelegenheit, an der jeder partizipiert", sagte Zoff ohne jegliche Regung.

Wird jetzt alles gut? "Das gibt uns Selbstvertrauen, ich bin glücklich", meinte der italienische Trainer, wenngleich er dabei etwa genauso dreinschaute wie sein total bedienter türkischer Kollege Mustafa Denizli. Die Italiener zeigten jedenfalls über lange Phasen ein gutes Spiel und gewannen völlig verdient gegen die enttäuschenden Türken. Hätten sich die Italiener vor dem türkischen Tor einige Male weniger dusselig angestellt, wäre es für die Türken noch bitterer gekommen. Aber bei denen war die Enttäuschung auch so groß genug. Auch sie haben ihren Zoff. "Ich hatte zu wenig Unterstützung", beschwerte sich Stürmerstar Hakan Sükür, von dem man fast nichts sah. Im Team rumort es. Spieler, die nicht erste Wahl sind, mucken auf. Er habe die richtige Elf aufgeboten, verteidigte Denizli seine Aufstellung: "Ich kenne die Spieler am besten." Wüste Beschimpfungen (" ... sohn Denizli!") musste er sich von den türkischen Fans anhören, die lautstark den Einsatz von Stürmer Arif Erdem forderten, der in der 81. Minute eingewechselt wurde. Aber er konnte auch nichts mehr retten.

Nicht auszuschließen, dass man sich im türkischen Team nun wieder selbst zerfleischen wird. Wie bei der EM in England vor vier Jahren, als die Türkei nach drei Niederlagen sang- und klanglos ausgeschieden war. Schier grenzenlos war der Optimismus der Türken vorher gewesen. Arnheim stand am Sonntag unter dem Halbmond. Mehr als die Hälfte der knapp 30 000 Zuschauer im Stadion waren Türken. Aus vielen europäischen Ländern waren sie angereist, um ihr Team siegen zu sehen. Alles andere wurde gar nicht in Betracht gezogen, wähnte man sich nach dem Uefa-Cup-Sieg von Galatasaray Istanbul doch unschlagbar. Am Ende der 90 Minuten blieben nur Wut und Tränen.

Wut vor allem auf Schiedsrichter Hugh Dallas, der mit seinem Elfmeterpfiff nach einem Rempler von Ogün Temizkenoglu gegen Filippo Inzaghi die türkisch-schottische Freundschaft einer schweren Prüfung unterzog. Der "Gefoulte" schnappte sich den Ball und verwandelte selbst zum 2:1, nachdem vorher Antonio Conte mit einem spektakulären Fallrückzieher und Buruk Okan getroffen hatten. Zwischen Elfmeterpfiff und der Ausführung vergingen Minuten, in denen erst einmal Gegenstände weggeräumt werden mussten, die von empörten Türken aufs Feld geworfen worden waren. Der Strafraum glich dem Maybachufer in Kreuzberg, wenn die Marktstände weggeräumt sind, die Putzkolonne aber noch nicht ihre Arbeit aufgenommen hat.

Die meiste Arbeit aber hat jetzt Mustafa Denizli. Tag für Tag, 24 Stunden lang.

Sebastian Arlt

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