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Selbstbewusster Herausforderer. Der Neuköllner Normalausleger Tyron Zeuge tritt Samstagnacht in Potsdam gegen den römischen Weltmeister Giovanni de Carolis an. Der erste Kampf der beiden Super-Mittelgewichtler endete im Juli in Berlin nach zwölf Runden unentschieden. Foto: dpa/Büttner

© dpa

Weltmeisterschaftskampf im Boxen: Tyron Zeuge: Ein Neuköllner auf dem Weg nach oben

Der Neuköllner Tyron Zeuge versucht erneut, den italienischen Weltmeister de Carolis zu entthronen. Dabei hatte Zeuge zwischenzeitlich die Lust aufs Boxen verloren.

Berlin - Preisboxer sind kurz vor ihrem Kampf ganz dankbar für eine gewisse Ablenkung. Nach Wochen der Schinderei und einem Leben wie im Tunnel kann die nicht schaden. Also haben sich neulich der Boxer Tyron Zeuge und sein Trainer Jürgen Brähmer verkleidet. Ein Kamerateam begleitete die beiden Herren in einem Hamburger Gericht. Brähmer, 38 Jahre alt, mimte unter schweren silbernen Locken und in schwarzer Robe gehüllt Euer Ehren; sein 24 Jahre alter Schützling, gab den – ja was eigentlich? Tatzeugen, Kronzeugen oder doch Trauzeugen, wie es im Filmchen heißt?

Die Wortspielereien samt der Verurteilung durch „Richter Gnadenlos“ zu „lebenslangem Straftraining“, sollte Zeuge seinen Kampf verlieren, sind dabei weniger originell. Die Komik liegt hier mehr bei Richter Brähmer, der in grauer Vorzeit mehrmals vor Gerichten anzutanzen hatte – und verurteilt wurde. Die Strafen sind lange verbüßt. Brähmer ist inzwischen ein geläuterter Bürger mit Familie, Engagement und Verantwortung.

Wenn Tyron Zeuge Samstagnacht in der MBS Arena in Potsdam den Weltmeister nach WBA-Version im Super-Mittelgewicht, den Römer Giovanni de Carolis, herausfordert, geht es darum, die Vergangenheit zu bewältigen. Nicht Brähmers, sondern die von Tyron Zeuge. Der Neuköllner ist zwar nie mit dem Gesetz kollidiert, dafür aber mit seinem Gewicht und seiner Einstellung.

Als er Anfang dieses Jahres die Berliner Trainingsgruppe des Box-Unternehmens Sauerland Event um Trainer Karsten Röwer verließ, tat er das als ausgebrannter Mann. Er ging nach Schwerin, wo sich Jürgen Brähmer unter dem Dach Sauerlands längst sein eigenes Reich geschaffen hatte. „Tyron kam in einem desolaten Zustand“, erzählt Brähmer. Massive Gewichtsprobleme führten zu Kampfabsagen. „Ich hatte die Lust aufs Boxen verloren“, sagte Zeuge seinerzeit.

Brähmer, zu diesem Zeitpunkt selbst noch Weltmeister im Halbschwergewicht, und dessen Trainer Conny Mittermeier fingen Zeuge auf und schufen ihm ein Umfeld, in dem er wieder einen Rhythmus fand und seinem Leben neue Ausblicke verschaffte. Die Fortschritte waren derart, dass er bereits im Juli den 32 Jahre alten Weltmeister de Carolis ein erstes Mal herausforderte. Es wäre ein doppeltes Novum gewesen. Zeuge hätte zum jüngsten deutschen Weltmeister aller Zeiten werden können. Der bisherige Rekordhalter, der Berliner Graciano Rocchigiani, war bei seinem ersten WM-Titelgewinn 1988 wenige Tage älter als Zeuge. Und in Brähmer hätte erstmals ein aktiver Weltmeister einen Boxer zum Titel geführt.

Doch daraus wurde nichts. Zeuge lieferte dem Champion in Berlin einen guten Kampf über zwölf Runden, der von den Punktrichtern mehrheitlich als unentschieden gewertet wurde, womit der Titelverteidiger – dem Reglement entsprechend – seinen Titel behalten durfte. Nun will er es im zweiten Anlauf in Potsdam schaffen. „Ich habe mir drei Monate den Allerwertesten aufgerissen, dieses Mal schaffe ich es“, sagt Zeuge.

Inzwischen kann er nicht mehr jüngster deutscher Weltmeister werden, aber darauf hatte er ohnehin nicht viel Wert gelegt. Auch Brähmer wurde als Champion vor ein paar Wochen entthront. Seinen Kampf gegen den Waliser Nathan Cleverly musste er wegen eines Muskelfaserrisses im rechten Unterarm vor Beginn der siebenten Runde aufgeben. Zu diesem Zeitpunkt lag Brähmer auf den Punktzetteln zwei Runden vorn. Die Revanche ist bereits für den Februar geplant, vermutlich in Rostock. „Tyron wird in Potsdam Weltmeister, und anschließend hole ich mir meinen Titel zurück“, sagt Brähmer.

Der kleine Filmdreh neulich zu Gericht habe Zeuge noch einmal verdeutlicht, wie hoch die Erwartungen an ihn bei Sauerland Event sind. Er wisse genau, was gegen de Carolis auf ihn zukomme. „Wir haben im Training die Fehler des ersten Fights abgestellt. Ich fühle mich noch stärker als zuletzt und werde mir den Sieg nicht noch einmal nehmen lassen.“

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