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Sport: Üben, üben, üben

Mit akribischer Trainingsarbeit hat Michael Skibbe Bayer Leverkusen wieder nach vorn gebracht

Noch im Winter sah sich Michael Skibbe zu einem radikalen Neustart gezwungen. Also versammelte Bayern Leverkusens Trainer seine Spieler während des Trainingslagers in Marbella, um mit ihnen die wichtigsten taktischen Grundlagen des modernen Fußballs zu trainieren. Als Skibbe seinen Abwehrspielern gebetsmühlenartig erklärte, wie sie sich innerhalb einer Viererkette zu verhalten haben und – unter Einsatz vieler aufgestellter Plastikhütchen – wie man sich als Team über den Platz hinweg im Verbund vorschiebt, so rief das außerhalb des Platzes auch Heiterkeit hervor. Erinnerten diese Szenen doch sehr an das, was üblicherweise D- oder C-Jugendliche einstudieren. Und es konnte dabei in Vergessenheit geraten, dass Bayer-Profis Juan und Roque Junior zum Kern der brasilianischen Nationalmannschaft zählen.

Was damals die vielen Nationalspieler womöglich als Demütigung auffassten, gehört für Rudi Völler zu den Erfolgsrezepten jenes Trainers, der nach acht Spieltagen dieser Saison Bayer Leverkusen übernommen hatte. „Er hat das bis zum Erbrechen üben und trainieren lassen“, sagt Bayers Sportdirektor, aber gewundert hat ihn die Beharrlichkeit Skibbes nicht. „Das ist seine große Stärke, das weiß keiner besser als ich“, sagt Völler, der mit Skibbe als Assistenten zwischen 2000 und 2004 die Geschicke der deutschen Nationalmannschaft lenkte.

Nun heilte aber selbst Skibbe nicht von einem Tag auf den anderen die vielen taktischen Defizite der Mannschaft, die in der Vorrunde nur 19 Punkte gesammelt hatte, und der nicht wenige Fachleute eine ähnlich gefährliche Abwärtsentwicklung wie in der Spielzeit 2002/03 prognostizierten, als Leverkusen beinahe abgestiegen wäre. Auch in der Rückrunde erlitt das Team unfassbare Niederlagen, so in Bielefeld und zu Hause gegen Mainz. Und nach dem 4:7 im Februar beim FC Schalke 04 schien es gar unmöglich, dass Leverkusen „wieder die Kurve kriegt“, wie es Skibbe ausdrückt. Tatsächlich aber stellt Leverkusen, das am Dienstag bei Hertha BSC um Platz fünf und damit um einen Uefa-Cup-Platz kämpft, das derzeit spielstärkste und stabilste Team der Liga dar.

Natürlich sind die fünf Siege, die Leverkusen zuletzt in Serie feierte (inklusive des 2:0 beim HSV), auch auf die Systemveränderung zurückzuführen, die Skibbe anordnete. Seitdem spielt Bayer nicht mehr in einer 4-4-2- oder 3-5-2-Formation, sondern in einem 4-3-3, das den derzeit überragenden Bulgaren Berbatow (in der Rückrunde zehn Treffer, dazu sieben Torvorlagen) als einzige echte Spitze vorsieht. Die beiden Außenstürmer lassen sich immer ein wenig zurückfallen und machen damit die Räume im Mittelfeld eng, wenn der Gegner angreift. „Das hat dazu geführt, dass wir defensiv besser aufgestellt sind und weniger Konter-Tore kassieren“, sagt Skibbe.

Aber auch der Coach weiß, dass er für seine Arbeit ironischerweise sehr von den wuchtigen Schlagzeilen profitierte, die den Klub in dieser Spielzeit heimsuchten. Schon die beiden Prozesse, die Abwehrspieler Jens Nowotny im Herbst gegen seinen Arbeitgeber führte, riefen enormen Wirbel im Rheinland hervor. Überregionale Strahlkraft entwickelten dann im Februar die Manipulationsvorwürfe, die inzwischen entkräftet sind, und natürlich der Untreue-Vorwurf gegen den Ex-Manager Reiner Calmund, der immer noch im Raum steht. „Diese Themen haben in der fußballerisch schlechten Zeit abgelenkt“, sagt Skibbe. „Es hat der Mannschaft geholfen, dass es andere Themen in den Zeitungen gab." Und auch ihm: Normalerweise wäre die Kritik, der er sich nach nur einem Sieg aus neun Vorrundenspielen ausgesetzt sah, viel heftiger ausgefallen.

Laut Völler war der Erfolg aber ohnehin nur eine Frage der Zeit. „Als er kam, ist das nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben, aber er hat sein Ding durchgezogen, er macht die Dinge, von denen er überzeugt ist“, sagt der Sportdirektor. Skibbe war wichtig, dass die Mannschaft nicht die enorme Unruhe für die sportliche Krise verantwortlich machte: „Mir lag daran, dass wir als Mannschaft da niemals ein Alibi daraus ziehen wollen.“

So ganz aber will Michael Skibbe dem Frieden noch nicht trauen, da das Ziel Platz fünf noch nicht endgültig erreicht ist: „Es ist immer noch ziemlich dünnes Eis, auf dem wir uns bewegen.“ Bei einem Sieg heute im Berliner Olympiastadion wäre es allerdings schon mehr als tragfähig geworden.

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