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Sport: Überdosis Naivität

Unions Trainer Ristic gibt zu, dass er die Leistungsfähigkeit seiner Spieler überschätzt hat

Von Karsten Doneck, dpa

Die Lage war ernst, aber längst nicht hoffnungslos. Der Zweitligist 1. FC Union steckte als Tabellensechzehnter tief im Abstiegskampf, aber gerade einmal ein Punkt trennte die Mannschaft vom rettenden 14. Platz. Das Präsidium reagierte, Trainer Mirko Votava wurde beurlaubt. Jetzt, vier Wochen später und sechs Runden vor Saisonschluss, gestaltet sich die Lage der Köpenicker weitaus dramatischer. Der Verein ist Vorletzter in der Zweiten Fußball-Bundesliga, der Rückstand auf einen Nichtabstiegs-Platz beträgt bereits sechs Punkte.

25 Tage ist der neue Trainer Aleksandar Ristic im Amt. Unter ihm konnte Union noch keinen einzigen Punkt verbuchen, dafür hat die Mannschaft in den bisherigen drei Spielen unter Ristic aber schon stattliche neun Gegentore kassiert. Diesen Effekt hatte bei Union nach dem Trainerwechsel niemand erwartet. Es ist auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass die Bilanz heute (15 Uhr, Stadion Alte Försterei) im Heimspiel gegen den Aufstiegskandidaten 1. FC Nürnberg wesentlich verbessert wird.

Es stimmt zwar, dass der 1. FC Union unter Ristic so etwas wie Spielkultur entwickelt. Da wird zumindest der Versuch unternommen, den Ball über mehrere Stationen laufen zu lassen und durch geschicktes Stellungsspiel gegnerische Angriffe frühzeitig abzublocken. Votavas taktisches Konzept war wesentlich einfacher gestrickt. In erster Linie bestand es aus zwei Faktoren: Hinten wurde dichtgemacht, lange Bälle nach vorne dienten dazu, dass sich Unions Offensivabteilung auf dem Platz nicht ganz so nutzlos vorkam. Ansehnlich war dieses System nicht. Und vor allem: Es brachte wenig Erfolg.

Das, was Ristic jetzt bei Union umzusetzen versucht, erfordert mühseliges Üben. Neun Spiele, für die der Trainer verpflichtet wurde, reichen zum Einstudieren komplexer taktischer Neuerungen nicht aus. „Dass die Zeit kurz ist, wussten wir alle", sagt Ristic. Dass er selbst etwas blauäugig gewesen ist, was den Leistungsstand der Mannschaft angeht, als er bei Union anfing, das gibt Ristic inzwischen zu. „Ich habe eine Situation vorgefunden, wo ich gedacht habe, ein paar Sachen würden besser klappen.“ Über Details schweigt er sich aus. Würde Ristic reden, wäre das gleichbedeutend mit Kritik an seinem Vorgänger – und dazu wiederum ist der Coach zu sehr Gentleman. Immerhin sagt der Trainer: „Es wäre zehnmal besser gewesen, wenn ich schon im Winter angefangen hätte. Es wird immer enger.“

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