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Kopf an Kopf. Lance Armstrong (l.) und Jan Ullrich stehen im Dopingverdacht. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Fiebern am Fernseher: Ullrich will Armstrongs Titel nicht

Der frühere Radstar Jan Ullrich verfolgt die Tour und neue Vorwürfe gegen den alten Rivalen.

Ob ihm die Beine bei den Bergetappen wieder schwer werden? Jan Ullrich, Deutschlands gefallener Star, radelt nach langer Zeit bei der Tour de France mit. „Ich verfolge mit Spaß das Renngeschehen“, sagte Ullrich am Donnerstag dem Tagesspiegel. „Mittlerweile fiebere ich richtig mit und schaue mir gern aktiv auf dem Ergometer die Tour im Fernsehen an.“ Welch eine Vorstellung: Jan Ullrich hockt im Keller seines Hauses – da unten stehen seine alten Trainingsgeräte –, und guckt beim Pedaletreten den Fahrern zu, die auf seinen verwischten Spuren durch Frankreich radeln. Etwa dem Rostocker André Greipel, der gestern im Massensprint seine zweite Etappe gewann.

Womöglich steht Ullrichs neues Interesse sinnbildlich für seinen Lebenswandel. „Lange Zeit konnte ich die Tour wegen meiner persönlichen Situation nicht anschauen“, erzählt er. Seit einigen Monaten versucht der nach indizienreichen Dopingvorwürfen verfemte und in sich selbst zurückgezogene Ullrich in der Öffentlichkeit wieder satisfaktionsfähig zu werden. Er macht bei Jedermann-Fahrradrennen mit, streut – angeregt von einem neuen agilen Berater – das ein oder andere Interview unter die Leute und versucht sich bei „eurosport.yahoo.de“ als Blogger.

Zudem strampelt sich Ullrich, inzwischen 38 Jahre alt, für ein Unternehmen als Berater ab. Es handelt sich dabei lustigerweise um die Firma „Alpecin“, die mit dem Werbeslogan „Doping für die Haare“ bekannt wurde. Spannend ist, dass Alpecin plant, einen neuen deutschen Radrennstall aufzubauen. Der könnte unter Umständen im kommenden Jahr bei der Tour angreifen. Mit Ullrich als Teamchef? Der danach Gefragte winkt ab. Als Sportchef im Teamauto durch Frankreich mitzurollen, kann er sich nicht vorstellen; dazu hat er inzwischen wohl zu sehr Gefallen am Familienleben gefunden. Im November erwartet seine Frau ihr drittes Kind.

Am Donnerstag dürfte sich Ullrich zurück in der Radsportwelt gesehen haben, in der er sich mit seinem verdrucksten Nicht-Doping-Geständnis („Ich habe niemanden betrogen“) um seinen Ruf brachte. Das Thema Doping erfasste gestern erneut das Fahrerfeld in Frankreich, nachdem die niederländische Zeitung „De Telegraaf“ berichtet hatte, die früheren Teamkollegen des Rekordsiegers Lance Armstrong hätten den US-Amerikaner des Dopings bezichtigt. Demnach haben George Hincapie, Levi Leipheimer, Christian Vande Velde und David Zabriski in einem Geständnis gegen den unter Blutdopingverdacht stehenden Texaner ausgesagt und dafür eine milde sechsmonatige Sperre nach Saisonende erhalten. Auch der heutige Garmin-Teamchef Jonathan Vaughters soll Armstrong belastet haben. Bestätigungen dazu gab es gestern bei der Tour nicht, ein Dementi ebenso nicht. Es könnte also sein, dass Armstrong seinen Ruf nun auch verliert  – vielleicht sogar seine Titel. Würden drei davon dann Ullrich, dem ewigen Zweiten, nachträglich zuerkannt? „Ich bekomme die Entwicklungen im Fall Armstrong mit“, sagt Ullrich dazu knapp. „Aber ich blicke nicht intensiv darauf – schon gar nicht auf die Titel.“

Vielleicht hat der einzige deutsche Sieger die Tour de France tatsächlich hinter sich gelassen.

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