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Sport: "Um sechs kamen die Berber" - Wie der Berliner Erhard Tesmer einen Lauf durch die Sahara erlebte

Erhard Tesmer (61), TÜV-Sachverständiger aus Berlin und Mitglied eines Laufvereins, nahm zum zweiten Mal am Lauf durch die Sahara in Marokko teil. Tesmer machte schnell Schluss mit romantischen Ideen von Wüstenabenteuern.

Erhard Tesmer (61), TÜV-Sachverständiger aus Berlin und Mitglied eines Laufvereins, nahm zum zweiten Mal am Lauf durch die Sahara in Marokko teil. Tesmer machte schnell Schluss mit romantischen Ideen von Wüstenabenteuern.

London, Boston und Berlin sind vertraute Pflaster für einen Marathonläufer. Was aber, Herr Tesmer, wollten Sie in der Wüste von Marokko?

Ich sehne mich nach Exotik.

Was ist denn so exotisch am Marathon des Sables?

Er gilt als der härteste Wettlauf der Welt, und immer mehr Leute wollen mitlaufen. Diesmal gingen 680 Menschen aus 30 Ländern an den Start. Davon stiegen 100 vorher aus. Das Programm selbst ist schlicht. Verlangt wird, dass die Teilnehmer in sieben Tagen 230 Kilometer durch die Sahara zurücklegen. Dabei haben wir noch etwas zu tragen. Wir sind Selbstversorger.

Wo begann das Treiben?

In Ouarzazate. Mit dem Bus ging es über das südliche Atlasgebirge. Als die Straße endete, mussten wir uns LKWs von der marokkanischen Armee ausleihen.

Kann eigentlich jeder mitmachen?

Alle Teilnehmer werden strengstens untersucht. Das EKG darf nicht älter als drei Wochen sein, und jeder muss nachweisen, dass er den Pflichtinhalt und den Minimum-Vorrat von 2000 Kilokalorien pro Tag im Rucksack dabei hat. Es herrschen 50 Grad.

Dafür aber sind die Nächte erfrischend kalt?

Erfrischend? Die Nächte sind eiskalt. Wir hielten uns in Zelten der Berber auf.

Da soll es ja sehr gemütlich sein.

Ansichtssache. Das sind Acht-Mann-Zelte, und Platz hast du vielleicht 60 Zentimeter mal zwei Meter.

Da lohnt sich doch die Tortur.

Ich glaube, das größte Problme dabei ist, dass die Läufer von Tag zu Tag nervöser werden. Die kommen auf sehr komische Gedanken. Um Gewicht zu sparen, zerbrechen einige sogar ihre Zahnbürste.

Die Berber müssen sich doch an den Kopf gefasst haben, als sie sahen, was Sie tagsüber so trieben?

Nicht alle haben es verstanden. Aber früh, so gegen sechs Uhr, kamen die Berber mit kreischendem Geschrei herbei und rissen unsere Zelte ein. Und dann wollten sie auch noch unseren Teppich, auf dem wir lagen.

Was gab es denn zum Frühstück?

Einen Brei aus Wasser, Cornflakes und Babymilch-Pulver.

Wie läuft es sich denn durch die Sahara?

Man läuft auch da vorwärts. Nein, im Ernst, meistens finden sich Sprachverwandte in kleineren Gruppen. Viele haben einen Laufpartner, aber meistens sieht man sich nur am Tagesziel.

Welche Gruppe machte besonders auf sich aufmerksam?

Ich denke die Japaner und Briten. Das sind richtige Patrioten. Mit ihrer Fahne bewaffnet, sangen sie "God save the Queen", wenn der Landsmann im Zuckeltrab am Horizont erschien, der als Letzter des Tagesziel erreichte. Bevor man das Ziel nicht erreicht hat, darf niemand einem helfen. Ein Brite, der das Ziel erreicht hatte, fiel wie ein Brett mit dem Gesicht in den Sand. Ärzte eilten herbei, aber der Bursche wollte sich nicht helfen lassen. Landsleute hoben ihn auf, gaben ihm den Union Jack

und stimmten mit ihm die Nationalhymne an.

Wer hat den Lauf eigentlich gewonnen?

Gewonnen hat zum dritten Mal der Marokkaner Lahcen Ahansal, der läuft wie eine Gazelle, selbst durch die Dünen.

Und Sie?

Ich habe eine Medaille, die jeder bekommt, der den Lauf zu Ende bringt. Aber wissen Sie, für mich geht es nicht um persönliche Grenzen - die kann ich auch im Grunewald spüren, weil ich immer alles gebe. Es geht um eine gewisse Eitelkeit des Alters, dass ich zu dieser Elite dazugehöre und mithalten kann.

Und was wollen Sie mit 62 machen?

Nächstes Jahr renne ich durch Peru. Das Gespräch führte Daniela Klein

London[Boston], Berlin sind vertraute Pflaster

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