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See you soon. Vor vier Wochen spielten Minnesota und Pittsburgh in London. Foto: dpa

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Sport: Umzug nach Europa

Wie die NFL dauerhaft in London Fuß fassen will.

Berlin - Für ein Wochenende ist der Zirkus wieder zurück in London. Und hat die Stadt aufwendig geschmückt. In den Straßen im Zentrum hängen die Stars-and-Stripes-Banner der amerikanischen Flagge, überlebensgroße Porträts der Protagonisten prangen an Häuserwänden und Litfaßsäulen. Der Zirkus, das ist die National Football League (NFL) aus den USA. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen macht die umsatzstärkste Sportliga der Welt Station in der britischen Hauptstadt. Auftreten werden am Sonntag (18 Uhr) die Jacksonville Jaguars und die San Francisco 49ers. Mit 80 000 Zuschauern ist die Begegnung im Wembley-Stadion ausverkauft. Den gleichen Zuschaueransturm hatte es schon vor vier Wochen gegeben, als die Minnesota Vikings und die Pittsburgh Steelers ebenfalls in London spielten. In der kommenden Saison sollen dann sogar drei Spiele in Wembley stattfinden.

Trotz hervorragend laufender Geschäfte in den USA drängt die NFL immer stärker auch nach Europa. „Wir werden in Zukunft versuchen, dort turnusmäßig vertreten zu sein, weil wir die positiven Reaktionen der Fans sehen“, sagte Roger Goodell.

Der NFL-Chef verfolgt ein ehrgeiziges Ziel. Goodell schwebt vor, irgendwann einmal ein festes Team in London zu installieren. Eines, das am regulären Spielbetrieb teilnimmt. Die NFL über die Grenzen der USA erweitert zu haben, wäre dann sein Vermächtnis. Bisher hat Goodell aber kaum Begeisterung mit seinem Vorhaben entfachen können. „Ich denke nicht, dass das in naher Zukunft realisierbar ist“, sagt Ken Belson. Der Football- und Wirtschaftsexperte war im September beim Spiel der Steelers und Vikings in London. „Fans aus allen Teilen Europas kamen rüber, die Atmosphäre war grandios. Aber das hatte wohl auch damit zu tun, dass es etwas Besonderes war“, sagt Belson. „Ich glaube nicht, dass es noch dasselbe wäre, wenn acht Spiele pro Saison dort stattfinden würden.“

In den Neunzigerjahren hatte die NFL bereits versucht, mit der NFL Europe in Europa Fuß zu fassen. Das Experiment scheiterte damals auch an den stetig sinkenden Zuschauerzahlen. American Football ist auf dem alten Kontinent nur Randsportart, ob die Fans in London dauerhaft ins Stadion strömen, ist zumindest fraglich. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe, die gegen eine Europaerweiterung der Liga sprechen. Derzeit spielen 32 Mannschaften in der NFL, die in acht Divisionen mit je vier Teams aufgeteilt sind. Ein weiteres Team würde den homogenen Spielplan durcheinanderbringen. Bleibt nur, ein bereits existierendes Team nach London zu versetzen. Etwa die Jaguars, die in Jacksonville mit Zuschauerproblemen zu kämpfen haben. Einem Umzug müssten nach NFL-Regeln aber die anderen Klubbesitzer flächenmäßig zustimmen, was als nahezu ausgeschlossen gilt. Bisher ist es so, dass jeder Klub alle fünf oder sechs Jahre einmal in London spielt. Sollte jedoch regelmäßig in London gespielt werden, würde das für die Mannschaften aus der betroffenen Division bedeuten, dass sie mindestens einmal pro Jahr nach England müssten.

Nicht nur der lange Reiseweg und die Zeitumstellung sprechen gegen ein Team aus London, sondern auch die logistischen Probleme. Ein normaler Kader umfasst 53 Spieler, dazu kommen noch mal rund 30 bis 50 Trainer und Betreuer. „Allein für das Personal ist schon ein großes Flugzeug nötig. Weil die Ausrüstung aber so schwer ist, chartern die Teams meistens noch ein zweites Flugzeug nur für das Equipment“, erklärt Belson. Der Journalist sieht ein Team in London auch sportlich im Nachteil. „Es wäre sicherlich schwierig, gute Spieler für diesen Standort zu begeistern. Der Einkommenssteuersatz in England ist höher als in den USA, die Spieler würden also Verluste hinnehmen müssen“, sagt Belson. Er hält es für wahrscheinlich, dass vor der NFL eher die Basketballliga NBA Richtung Europa expandiert. „Logistisch wäre das auch einfacher. Man könnte Spieler aus Spanien, Italien oder Frankreich verpflichten.“

Football ist in Europa wie ein netter Freund, den man gern bei sich zu Gast hat, findet Belson. Ein dauerhaftes Zusammenwohnen könnte aber kompliziert werden. Für beide Seiten. Sebastian Stier

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