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Sport: Undeutsche Fußlümmelei

Walther Bensemann brachte den Fußball ins Land

Es war zunächst nur eine fixe Idee Walther Bensemanns: ein Fußballmatch gegen die Engländer auf dem Kontinent. Die wenigen tausend Fußballspieler, die anno 1899 in Deutschland kickten, hatten andere Probleme. Nicht einmal die Regeln dieses seltsamen Sports wurden verstanden, noch dazu wurde es im Kaiserreich als „Engländerei“ beschimpft, als undeutsch. Fußball galt als unästhetisch: Er erniedrige den Menschen zum Affen, hatte ein Turnlehrer in seiner Streitschrift „Fußlümmelei“ geschrieben.

Bensemann ließ sich davon nicht weiter irritieren. Der 26-jährige Student organisierte die nötigen Spielflächen und gewann mit Reichskanzler Fürst von Hohenlohe sogar einen präsentablen Schirmherr. Alles schien perfekt. Als der Kanzler jedoch absprang, der Berliner Polizeipräsident das Match am Bußtag als unangemessenes „Vergnügungsspiel“ untersagte und er auch die 2000 Goldmark Gage für die Engländer nicht rechtzeitig aufbrachte, drohte Bensemann ein Gesichtsverlust.

Doch die vermögende Mutter seines Freundes Ivo Schricker, der 33 Jahre später Generalsekretär beim Weltverband Fifa wurde, half aus. Als „Ur-Länderspiele“ gingen diese Matches in die Fußballgeschichte ein, auch wenn sie der Deutsche Fußballbund in seiner Statistik nicht führt, weil er erst ein Jahr später (unter Mitwirkung Bensemanns) gegründet wurde. Sie gehören zu den größten Pioniertaten jenes Bensemann, dessen pittoresker Lebenslauf nun in einem exzellent recherchierten biografischen Roman gewürdigt wird. Zuvor schon hatte Bensemann, der in einem englischen Internat in Montreux das Spiel kennen gelernt hatte, auch die ersten Klubs initiiert. Einer hieß FC Bayern.

Der Rückzug des Pioniers 1933 vollzog sich leise. Auch das Buch vermag nicht aufzuhellen, wie der Sohn eines säkularisierten jüdischen Bankiers überrollt wurde von der „Machtergreifung“ der Nazis. Aber es entwirft ein Szenario dafür, wie ein anerkannter deutscher Jude zum Exil gezwungen worden sein könnte: In einem fiktiven Gespräch drohen ihm sein „Kicker“-Mitinhaber – Bensemann hatte die Zeitschrift gegründet – und ein Gestapo- Mann damit, seine homosexuellen Neigungen öffentlich anzuprangern. Bensemann reist verbittert ab in die Schweiz. Von seinem Drittelanteil beim „Kicker“ sieht er nichts mehr. Bis zu seinem Tod 1934 ist er auf die Hilfe von Freunden angewiesen.

Bernd-M. Beyer: Der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte. Das Leben des Walther Bensemann. Ein biografischer Roman, Werkstatt-Verlag Göttingen 2003, 560 Seiten, € 26,90.

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