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Unruheregion Xinjiang: 16 Grenzpolizisten bei Anschlag getötet

Bei einem Angriff auf eine Station der Grenzpolizei in der nordwestchinesischen Region Xinjiang sind am Montag 16 Polizisten getötet worden. Ob der Anschlag mit einem kürzlich aufgetauchten Droh-Video zusammenhängt, ist noch unklar.

Bei dem Anschlag wurden 16 Polizisten getötet und 16 weitere verletzt, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua. Zwei Angreifer seien mit einem Lieferwagen in die Station der Grenzpolizei in Kashgar eingedrungen und hätten zwei Granaten geworfen. Sie seien anschließend festgenommen worden. Die Polizei vermutete laut Xinhua einen terroristischen Hintergrund der Tat. Xinjiang wird vorwiegend von der muslimischen Minderheit der Uiguren bewohnt. Vor den Olympischen Spielen in Peking hatten die chinesischen Sicherheitsbehörden wiederholt vor Anschlägen angeblicher uigurischer Terrorgruppen gewarnt.

Der Sprecher der Pekinger Olympia-Organisatoren (BOCOG), Sun Weide, hob nach dem Anschlag in Peking vor der Presse hervor, dass China in der Lage sei, "sichere und friedliche Spiele zu organisieren". Xinjiang, das von acht Millionen muslimischen Uiguren bewohnt ist, zählt zu den Unruheregionen in China. Nach der Gründung der Volksrepublik 1949 hatten sich die Kommunisten die Region einverleibt, die aus ihrer Sicht zu China gehört. Viele Uiguren, die sich als Turkvolk ethnisch und kulturell von Chinesen unterscheiden, wehren sich gegen die chinesische Fremdherrschaft und beklagen kulturelle und politische Unterdrückung. Einige suchen auch die Wiederherstellung ihrer früheren ostturkestanischen Republik.

In jedem Fall sind Zweifel angebracht, wenn China die Möglichkeit von Anschlägen uigurischer "Terroristen" als größte Bedrohung für die Olympischen Spiele darstellt. Die Uiguren wehren sich dagegen, dass sie als Terroristen verteufelt werden oder Chinas Führung Olympia als Vorwand benutzt, um sie zu unterdrücken. Seit Jahren beäugen selbst oberste Menschenrechtswächter der Vereinten Nationen kritisch, dass China den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus dazu benutzt, um das Aufbegehren des Turkvolkes gegen die chinesische Fremdherrschaft zu unterdrücken.

Experten: Terrorgefahr "nicht glaubwürdig"

"Internationale uigurische Gruppen haben keineswegs zu Störungen der Spiele aufgerufen", sagte der amerikanische Uiguren-Experte Dru Gladney. "Es wäre auch ziemlich kontraproduktiv, wenn die Uiguren die Spiele stören würden." Viele westliche Fachleute hielten die von China beschworene Terrorgefahr durch Uiguren "für etwas überzogen" und "nicht glaubwürdig", sagte Gladney. "Die meisten Experten glauben, dass Olympia nicht gerade die Plattform ist, auf der sich viele Uiguren für ihre Sache einsetzen wollten." Bei aller Kritik an China habe bislang auch keiner der uigurischen Repräsentanten die Olympischen Spiele als Ziel in ihrem Widerstandskampf ausgemacht.

Doch stellen Chinas Sicherheitskräfte uigurische Separatisten besonders seit Jahresanfang als Gefahr für Olympia dar. Die Polizei will seither dutzende uigurische "Terroristen" festgenommen haben, die Anschläge gegen Olympia geplant haben sollen. Im März war auch von einem versuchten Anschlag uigurischer Separatisten auf ein Flugzeug die Rede, ohne dass konkrete Beweise bekannt wurden. Eigentlich hätte ein jüngstes Internetvideo, in dem eine uigurische "Turkestanische Islamische Partei" zu Anschlägen während der Sommerspiele aufruft, genau in dieses Bedrohungsszenario gepasst. Doch selbst Chinas Sicherheitsbehörden erschien das Video fragwürdig und überzogen.

In dem Video rühmte sich ein vermummter Kommandeur sogar damit, dass seine Kämpfer gleich für eine ganze Reihe von ungeklärten Explosionen in China in diesem Jahr verantwortlich gewesen sein sollen. Das ging dann doch zu weit. Chinas Polizeibehörden wiesen das "Bekenntnis" als falsch zurück. Es gebe keine Hinweise, dass die - meist dilettantisch ausgeführten - Anschläge von Terroristen begangen worden seien, geschweige denn mit Olympia zu tun gehabt hätten. Experten bringen die "Turkestanische Islamische Partei" sowohl mit einer "Islamischen Bewegung in Usbekistan" als auch mit der "Ostturkestanischen Unabhängigkeitsbewegung" (ETIM) in Verbindung.

USA kamen Peking entgegen

Wann immer Chinas Regierung Uiguren und Terroristen in einem Atemzug nennt, taucht der Name ETIM auf. Es ist die einzige uigurische Gruppe, die international als terroristisch eingestuft wird. Um China nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York enger in den weltweiten Kampf gegen den Terror einzubinden, waren die USA der Führung in Peking damals entgegengekommen und hatten die ETIM auf die Liste der Terrorgruppen genommen. Dabei ist fraglich, wie groß diese Gruppe jemals war und ob sie heute überhaupt noch existiert.

"Wir haben schon seit Jahren nichts mehr von dieser Bewegung gehört", sagte Experte Gladney. "Wenn es eine überhaupt eine Bewegung war, hat sie unseres Wissens nach nie viele Anhänger gehabt." Auch ihre Führung sei bis heute unbekannt. Aus seiner Sicht benutzt China den Begriff ETIM heute pauschal für uigurische Gruppen, die sich für Selbstbestimmung oder Unabhängigkeit einsetzen. Wie die Tibeter wehren sich die Uiguren, die den Türken ethnisch näher sind als den Chinesen, gegen eine Unterdrückung ihrer Kultur, Sprache und Religion. Nach der Gründung der Volksrepublik 1949 hatten sich die Kommunisten Xinjiang 1955 als "autonome Region" einverleibt. Deswegen setzen sich viele Uiguren für eine Wiederherstellung ihrer einstigen Ostturkestanischen Republik ein, was Peking als Separatismus wertet. (feh/dpa/AFP)

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